Gollasch heißt es, und womöglich bewürschtelt - siehe Bild - muss es sein, so hat es eine Aufenthaltsgenehmigung bei uns gekriegt, die nicht einmal beim Rieder Bunten Aschermittwoch infrage gestellt wird - obwohl es sich doch um die nostrifizierte Variante einer, horribile dictu, ungarischen Hirtersuppe (gulyás = Rinderhirte) handelt. Schlimmer, aus ebendieses magyarische Gericht verteilenden Gulaschkanonen werden seit dem Ersten Weltkrieg fallweise unsere nicht immer ganz wackeren (1938!) militärischen Landesverteidiger ernährt, zu deren vordringlichen Aufgaben es heute gehört, uns gerade an der ungarischen Grenze nicht vor der militärischen, sondern der zivilen Gefahr aus dem Osten zu schützen. Nein, wir sind heute überhaupt nicht depressiv. Ja, es schmeckt uns noch immer. Aber zu Fleiß kochen wir heute östliche und nicht örtliche Gulaschs, sprich Ragouts, das heißt, in mundgerechte Stücke geschnittenes Zwiebelfleisch im eigenen Saft, mit mehr oder weniger Gewürzen. In Indien, von wo die Harrer soeben heimgekehrt ist, sind es eher mehr, was sie zu der brennend heißen Erkenntnis führte, dass man Chili nicht nur bei dessen Aufnahme in den Körper, sondern auch beim Verlassen desselben spüren kann. Etwas austriakische Rindsgulaschtheorie wollen wir aber noch bieten, wenn auch kein Rezept, oh nein, denn darüber, wie der elysische Gulaschsaftzustand zu erzielen ist, gehen die Meinungen total auseinander, auf dieses hochgradig Leserbriefe evozierende Minenfeld wagen wir uns nicht vor. Der vitalen Bedeutung (wir sagen nur: Katerfrühstück) entsprechend werden die Parameter von den jeweiligen Adepten kompromisslos verfochten: das Verhältnis Fleisch zu Zwiebeln (1:1, 4:5, 1:3), welches Fett man nimmt (selbst große Kochstars vergessen jegliche Finesse und langen erbarmungslos in den Schweineschmalztopf), die Kunst des richtigen Paprizierens (Sorte, Zeitpunkt), pro und kontra stauben (oder ein Stück Schwarzbrot mitkochen), Paradeismark ja oder nein und die Art, das Fleisch zu schneiden (würfelig oder grobblättrig). Dissens gibt es auch bei der Beilage: Orthodox sind unserer bescheidenen Meinung nach nur das Semmerl oder die Salzerdäpfel, aber Knödel oder gar Nockerln werden auch immer wieder gesichtet. Es gibt aber immerhin eine landesweite Übereinstimmung, nämlich, dass das Wirtshausgulasch das beste sei - sofern es nicht aus dem industriellen Gulaschsaft-Zehnliterkübel kommt, versteht sich. Durch große zubereitete Mengen wird der Saft molliger, durch häufiges Aufwärmen aromatischer, wie ja überhaupt für viele EsserInnen das Fleisch - da einigen wir uns auf Wadschunken, durchzogen, knorpelig und flachsig, dem Geschmack zuliebe - nur notwendiges Beiwerk ist, die Seele des Gulaschs wohnt im Gulaschsaft, der sich selbst genügen muss, und das ist bei unseren fremdländischen Varianten nicht anders. Fangen wir ganz harmlos in Zypern an, von wo die Fuchs ein Stifado heimgebracht hat, leicht und würzig im Gegensatz zu seinen Festland-Schwestern, die mit ihrer Öl-Opulenz nur mit Ouzo vorher und Metaxa nachher zu bewältigen sind. Für sechs Portionen wird ein Kilo gut abgelegene Rindsschulter in Würfel geschnitten und in Öl angebraten, mit einem Liter Rotwein aufgegossen, mit fünf bis sechs Lorbeerblättern, drei Stangen Zimt, 25 Gramm gemahlenem Kreuzkümmel (der nahe Libanon winkt herüber), Salz sowie Pfeffer gewürzt und auf kleiner Flamme gedünstet, bis das Fleisch weich ist. Vier Esslöffel Paradeismark und ein Kilo in dickere Scheiben geschnittene Zwiebeln zufügen und weiterdünsten, bis die Zwiebeln weich sind, mit Salz und Pfeffer und Ketchup abschmecken. Kinderbesitzer (und in aller Heimlichkeit hin und wieder Hamburgerproduzierende) haben Letzteres im Haus, Gewissensverweigerer nehmen eben eine gut gewürzte, vor allem gezuckerte, reduzierte Paradeissauce. Dazu werden im Allgemeinen Fritten gegessen. Aber nicht nur in Indien wird das Zwiebelfleisch nicht unbedingt aus einem Rindsviech herausgeschnitten sein, auch in Österreich reichte die Gulaschpalette schon Mitte des 19. Jahrhunderts vom Schwein übers Wild bis zur Gansleber. Und wir, wie könnte es anders sein, sind natürlich beim Lamm gelandet, und zwar bei einem malaysischen, das wir fest ins Repertoire aufgenommen haben, zum Entzücken etwa der Fuchsischen Silvestergäste, die es am 1. in der Früh, ganz nach landesüblichem Gulaschbrauche zur Suppe verlängert, als Nothelfer serviert bekamen, ohne Würstel bitte. Also, wir kochen für sechs europäische Esser (das Originalrezept lautet auf die halbe Menge, denn wo dieses unser Gulasch zu Haus ist, ist der Reis die Hauptspeis' und das Fleisch die Zuspeis'): Ein Kilo gut geputztes und in Gulaschwürfel geschnittenes Fleisch von der Lammkeule in Partien in vier Esslöffeln Öl oder Butterschmalz am besten in einem Wok scharf anbraten und wieder herausnehmen, in zusätzlich zwei Esslöffeln Fett 16 Deka geschälte und in Scheiben geschnittene Schalotten leicht bräunen, ebenfalls wieder rausnehmen. Im verbliebenen Fett sechs Deka geschälten und fein gehackten Ingwer, sechs Deka in dünne Ringe geschnittenes Zitronengras, vier Zehen klein gewürfelten Knoblauch sowie zwei Teelöffel Currypulver anbraten, bis alles zu duften beginnt (der Malaysier röstet auch noch vier fein gehackte rote Chilischoten mit, das erscheint uns für den braven Mitteleuropäer doch etwas scharfer Tobak, wird doch später eh noch nachgeschärft). Vier Esslöffel Koriandergrün und zwei Esslöffel Minze, beide fein gehackt, sowie zwanzig Deka enthäutete, entkernte, gehackte Paradeiser zufügen und fünf Minuten mitgaren, anschließend mit zwei Esslöffeln Garam Masala (Gewürzmischung aus Koriander, Kreuzkümmel, Piment, Muskat, Pfeffer, Kardamom, Nelke, Fenchel und Lorbeer) und einem halben Teelöffel Chilipaste würzen und mit zwei Deziliter Obers sowie sechs Deziliter Lammfond (ersatzweise Kalbsfond oder Rindsuppe) aufgießen. Fleisch und Schalotten wieder zufügen und zehn Minuten bei starker Hitze kochen, dann noch etwa 45 Minuten auf kleiner Flamme vor sich hin köcheln lassen, mit Zitronensaft und Salz abschmecken; für Feuerschlucker kann man mit in etwas Saft angerührter Chilipaste das Ragout noch individuell verschärfen. Dazu gibt's Reis, was ja bei den heimischen Zwiebelsaftfleischen strengstens verboten ist, ursprünglich mit Ingwer, Zimt, Kardamom, Nelke, Safran und Rosenwasser aromatisierten Gewürzreis - angesichts der konzertierten asiatischen Gewürzattacke ist für derStandard/rondo/22/2/02