Wien - Der Botschafter der Republik Aserbaidschan in Wien, Vaqif Sadiqov, hat den "Stillstand" bei den Verhandlungen um das umstrittene, von Armenien besetzte Gebiet Nagorny-Karabach bedauert. Zwischen den Positionen Bakus und Eriwans klaffe "ein tiefer Graben", sagte Sadiqov am Mittwoch vor Journalisten. Der Konflikt um die mehrheitlich armenisch besiedelte und zu Aserbaidschan gehörige Enklave sei "ernst, er darf nicht weiter politisiert werden". Armenien halte etwa 20 Prozent aserbaidschanischen Territoriums besetzt, und auch in Aserbaidschan radikalisiere sich angesichts der Patt-Situation die öffentliche Meinung.Festgefahrene Positionen zu Nagorny-Karabach Es sollte auch im Interesse Armeniens, eines wirtschaftlich sehr armen Landes, liegen, "in Frieden mit seinen Nachbarn zu leben", sagte der Botschafter bei einem Pressegespräch, das aus Anlass des 10-jährigen Bestehens diplomatischer Beziehungen zwischen Österreich und Aserbaidschan stattfand. Die OSZE bemüht sich seit 1992 um eine Lösung im Karabach-Konflikt, die USA haben direkte Gespräche auf Präsidentenebene vermittelt. Doch die Positionen sind festgefahren. Armenien reklamiere das besetzte Gebiet, ohne die vertriebene Aseri-Bevölkerung heimkehren zu lassen. Aserbaidschan biete einen hohen Grad an Autonomie und fordere die Rückkehr der aserbaidschanischen Flüchtlinge, so der Botschafter, der auf die entsprechenden UNO-Resolutionen verwies. Rund 50.000 Aserbaidschaner in Flüchtlingslagern Sadiqov erläuterte, dass vor dem bewaffneten Konflikt etwa ein Drittel der Bevölkerung von Nagorny-Karabach Aserbaischaner waren. Die armenische Armee habe nach ihrem Einmarsch die dort lebenden rund 50.000 Aserbaidschaner "deportiert", diese lebten seitdem in Flüchtlingslagern, über ganz Aserbaidschan verstreut. Umgekehrt leben in Baku rund 30.000 Armenier. Seit 1994 herrsche ein Waffenstillstand an der Frontlinie. Geografisch total vom "Mutterland" isoliert sei außerdem Natchitschewan im Südwesten. Im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Konflikt und der politischen Neuordnung dieses Landes warnte der Diplomat, dass "das unkontrollierte Gebiet" Nagorny-Karabach und das darüber hinaus besetzte Umland Sicherheitsrisiken berge. Das gebirgige Territorium sei zu einem Paradies des Drogen- und Waffenschmuggels geworden. Es sei auch nicht auszuschließen, dass sich dort radikale bewaffnete Separatisten festsetzten. Sadiqov erinnerte an den Beitrag, den Baku den USA bei der Terrorismusbekämpfung leistete, wie Überflug- und Landerechte für Militärmaschinen. EU beginne eine aktivere Rolle zu spielen Positiv vermerkte der Botschafter, dass die EU eine aktivere Rolle in der Region zu spielen beginne. Die wirtschaftlich begründeten US-Interessen spiegeln sich klar in den Pipeline-Projekten Aserbaidschans, das seinen Wohlstand aus dem Erdöl der Kaspischen See und den Gasvorkommen schöpft. Aus strategischen Gründen wünsche Aserbaidschan diversifizierte Leitungen, so Sadiqov. Die Projektierung der Pipeline Baku-Ceyhan (türkischer Mittelmeerhafen) sei weit fortgeschritten, zwei bestehende Pipelines zum Schwarzes Meer (nach Russland bzw. Georgien) würden derzeit ausgebaut. Die Regierung in Baku hätte auch nichts gegen eine Leitung zum Persischen Golf - doch dies ließen die finanzkräftigen US Oil Companies nicht zu. Zehnter Jahrestag der Unabhängigkeit Aserbaidschans Am heutigen 10. Jahrestag ihres Bestehens würdigte der Botschafter ausdrücklich die guten bilateralen diplomatischen Beziehungen. Diese gehen bis in das 15. Jahrhundert zurück, der erste historische Nachweis stammt von 1473. Das Land an der Seidenstraße war schon vor dem Zusammenbruch der UdSSR zwei Mal kurzzeitig unabhängig gewesen, das zweite Mal 1917-20. Eine von drei Missionen, welche die Österreichisch-Ungarische Monarchie um die Jahrhundertwende im Kaukasus unterhielt, befand sich in Baku. 1992 war Österreich unter den ersten Staaten, die das unabhängige Aserbaidschan anerkannten. Die Wirtschaftsbeziehungen entwickelten sich seitdem rasch, österreichische Firmen gründeten Niederlassungen, ein Engagement der Ölindustrie sei willkommen, so der Botschafter. Auf höchster politischer Ebene sei ein österreichischer Staatsbesuch offen - im Gegenzug zur Visite, die Präsident Heydar Alijev im Juli 2000 in Österreich absolvierte.(APA)