Wirtschaft
Euroländer mit Deflationsangst
Experten sehen Inflationsziel der EZB zu restriktiv
Tokio - Eine zu strikte Umsetzung des Inflationsziels
der Europäischen Zentralbank (EZB) könnte einige Länder der Eurozone
wie zum Beispiel Deutschland an den Rand der Deflation bringen. Diese
Meinung vertritt ein siebenköpfiger Expertenrat (European Economic
Advisory Group), dessen Jahresbericht am Dienstag veröffentlicht
werden soll und aus dem die asiatische Ausgabe der der "Financial
Times" (FT) am Montag zitiert. Mitglieder des Expertengremiums sind unter anderem Hans-Werner
Sinn, Präsident des deutschen ifo-Instituts, sowie John Flemming,
ehemaliger Executive Director der Bank of England.
Teuerungsrate über zwei Prozent akzeptabel
Eine über dem momentanen Inflationsziel von zwei Prozent liegende
Teuerungsrate in einzelnen Ländern sei ohne weiteres zeitweise
akzeptabel, schreiben die Ökonomen. Denn die Inflationspolitik der
EZB müsse stärker den Euroraum als Ganzen im Blickpunkt halten.
Unterschiedliche Teuerungsraten in einzelnen Ländern seien eine
logische Konsequenz aus der Angleichung der Preise im Euroraum, der
Staaten mit unterschiedlichen Wachstumstempo umfasse, heißt es
weiter.
So bedinge eine durchschnittliche Inflationsrate von unter zwei
Prozent in der Eurozone, dass Länder wie Finnland und Irland eine
Teuerung von 3,5 Prozent aufweisen, während Deutschland mit einem
Prozent fast in die Deflation abgleite. Deshalb kommen die Experten
laut "FT" zu dem Schluss, dass die EZB ihre restriktive Politik
aufgeben müsse, um eine derartige, für Kernregionen der EU
nachteilige Situation zu vermeiden.
Vollkommene Angleichung der Preise nicht immer wünschenswert
Darüber hinaus stellen die Ökonomen fest, dass der
Angleichungsprozess der Preise in der Eurozone nicht notwendigerweise
immer zum vorher niedrigsten Preis führen müsse. Grund sei, dass
Unternehmen bei der Preissetzung Unterschiede bei den Transport- und
Vertriebskosten ausnutzen würden. Deshalb sei eine vollkommene
Angleichung der Preise nicht immer wünschenswert.
So könne es passieren, dass Regionen mit niedrigen
Distributionkosten solche mit hohen Distributionskosten
subventionieren würden. Dies sei weder im Interesse der Verbraucher
noch ökonomisch effizient, argumentieren die Experten.(APA/vwd)