Canberra - Die australische Regierung kommt immer mehr in Verruf, mit Falschaussagen über Asyl-werber für sich Stimmung im Volk gemacht zu haben. Kom-mentatoren sind sich heute ei-nig, dass diese aggressive Haltung gegen Flüchtlinge der konservativen Regierung von Premierminister John Howard im November indirekt die Wiederwahl beschert habe.Am 7. Oktober etwa hatte Verteidigungsminister Peter Reith Asylsuchenden unter-stellt, absichtlich Kinder über Bord ihres leckenden Fischerbootes geworfen zu haben, um die australische Marine zur Rettung zu zwingen. Keine Aufklärung Doch das vermeintliche Drama fand nie statt. Einer Untersuchung gemäß wusste Reith schon drei Tage später, dass keine Kinder über Bord geworfen wurden. Aber weder Reith noch Premier Howard noch Immigrationsminister Philip Ruddock klärten die Öffentlichkeit über die falsche Information auf. Im Gegenteil: Die Regierung nutzte den Vorfall weiter, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Seit Dienstag muss sich nun das Howard-Kabinett im Parlament Vorwürfe anhören, das australische Volk vorsätzlich irregeleitet zu haben. Die Labor-Partei spricht von einem "schmutzigen Wahlsieg", die Grüne Partei stellt gar die Legitimität der Regierung infrage. Howard und Ruddock meinen nur, sie hätten sich auf das Wort ihrer Untergebenen verlassen. Auch Peter Reith wäscht seine Hände in Unschuld - aus Distanz: Er ging nach den Wahlen in Pension. "Dämonisierung" Kritiker sprechen von einer Strategie, "Flüchtlinge zu dämonisieren". Zumal es auch aus jüngster Zeit Hinweise auf falsche Behauptungen gibt. So meinte Ruddock während des Hungerstreiks im Internierungslager Woomera, Eltern hätten ihren Kindern die Lippen zusammengenäht. Eine Untersuchung kam jetzt zum Schluss, dass auch dieser Vor-wurf falsch war. Auch die äußerst einflussreichen Massenmedien ändern ihre Haltung. Bis vor kurzem unterstützten sie die harte Asylpolitik fast ausnahmslos. Nun aber strahlte ein Fernsehsender einen in einem Internierungslager geheim aufgenommenen Bericht aus. Darin sieht man, wie Wärter Flüchtlinge und deren Kinder misshandeln. (Urs Wälterlin, DER STANDARD Print-Ausgabe 15.2.2002)