Wien - Österreichs bekanntester Quantenphysiker, Anton Zeilinger, soll Donnerstag und Freitag Jungunternehmern in der Siemens-Academy of Life sein Erfolgsgeheimnis verraten. "Für mich", erzählt der Physiker von Weltruf im Gespräch mit dem STANDARD, "war es sicher wichtig, sich auf die Intuition zu verlassen." Naturwissenschaft aus dem Bauch? "Jeder an der vordersten Front der Forschung wird zugeben müssen, dass das Neue dort stattfindet, wo man nicht mehr rein logisch vorgehen kann - sondern intuitiv-emotional."Hat also die Quantenphysik sein Weltbild verändert? "Sie schafft ein sehr offenes Weltbild und lehrt uns, dass die Welt grundsätzlich offen ist", sagt Zeilinger, "dass man den Zustand der Welt von morgen nicht vorhersagen kann, weil das quantenmechanische Einzelereignis grundsätzlich nicht vorhersagbar ist." Also kein Ursache-Wirkung-Determinismus wie in der klassischen Physik? "Auch im täglichen Leben versucht man, für alles eine Ursache zu finden, alles zu erklären. Und ich glaube, da geht man oft zu weit." Nachsatz: "Es gibt sehr viele Dinge, die einfach nicht verstehbar sind." Mut zur Lücke? "Ja, und zur Offenheit." Hat Zeilinger, der sich als religiös bezeichnet, diese Lücke mit Religion geschlossen? "Religionen haben immer den Fehler gemacht, die Lücke füllen zu wollen, die nicht gefüllt werden sollte. Gott ist letztlich etwas nicht Beschreibbares." Glaubt der Physiker an Gott? "Ich glaube, dass es so etwas gibt, egal, wie man's definiert." Kryptographie konkret Quantenphysik hat neben philosophischer auch praktische Relevanz: "Wir haben", berichtet Zeilinger, "soeben mit dem Forschungszentrum Seibersdorf eine Vereinbarung getroffen, ein technisch marktfähiges System der Quantenkryptographie zu entwickeln." Zeithorizont: die nächsten drei bis fünf Jahre, Budget: "Ein paar Millionen Euro". Von Seibersdorf komme das Wissen über Verschlüsselungssysteme, von Zeilingers Gruppe das physikalische Know-how zur absolut sicheren Übermittlung des 28- oder 56-Bit-Schlüssels. Geplante Hauptanwendung: geheime Nachrichten "innerhalb einer Großstadt, etwa zwischen Banken". Ab zehn bis 20 Kilometern bräuchte es einen Auffrischknoten (Quantenrepeater). Daran tüfteln neben Zeilinger auch Innsbrucker Physiker. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 2. 2002)