Jörg Haider ist es wieder einmal gelungen, in die internationalen Schlagzeilen zu geraten. Aber nicht für einen Privatbesuch mit bloß "humanitärem Charakter", sondern für seine offizielle Visite beim irakischen Diktator Saddam Hussein am Faschingsdienstag (unserer Zeitrechnung). Angesichts der internationalen Reaktionen ist noch in der Nacht auf Aschermittwoch die Beschwichtigungsmaschine angelaufen.

Die Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer ward aus den USA im ORF vernommen, das Außenministerium bemühte sich um Marginalisierung. Und zwei Politiker des Regierungslagers schwiegen, wenn auch aus vermutlich unterschiedlichen Motiven: Wolfgang Schüssel und Peter Westenthaler.

Wäre Haiders Besuch in Bagdad bloß den drängenden sozialen Gefühlen des Familienvaters entsprungen, dann hätte er sich wie kürzlich ein spanischer Vizeminister das Treffen mit Saddam Hussein ersparen können. Aber er hat ihm ja außerdem die "Grüße des österreichischen Volkes" überbracht, das kürzlich laut Interpretation des Erfinders von "Österreich zuerst" samt und sonders gegen Temelín gestimmt hat.

In Wirklichkeit ist dieses österreichische Volk, auch der Haider zugeneigte Teil, von einem seiner prominentesten Politiker für persönliche Geltungssucht missbraucht worden: Indem er seine Reise weder mit dem Ballhausplatz noch mit der Wirtschaftskammer abgesprochen hat, ähnlich dem eigenmächtigen Vorgehen, das er bei seinen Kontakten mit Libyens "Revolutionsführer" Muammar Gaddafi gezeigt hat. Der außenpolitische Schaden ist enorm, Haider rückt Österreich in ein Image der Unberechenbarkeit und der Kollaboration mit einem "Schurkenstaat".

Österreich hat international ziemlich freie Hände. Die Regierung (und andere Stellen in Absprache mit ihr) kann mit dem Irak Beziehungen pflegen, sich auf humanitäre Aktionen konzentrieren und Wirtschaftsaustausch pflegen, was durch die Entsendung eines Handelsdelegierten im Jahr 2000 unterstrichen wurde. Aber ein Repräsentant des Landes, der die Präambel zur Regierungserklärung unterschrieben hat, dem Koalitionsausschuss angehört und auch sonst wöchentlich seiner Partei erklärt, wo's in der Regierung langzugehen hat, sollte Verantwortung demonstrieren. Indem er einen solchen Besuch auch politisch sorgfältig vorbereitet.

Aber ein solcher Gedanke ficht Jörg Haider nicht an. Verantwortung trägt er nur gegenüber sich selbst. Er vertritt nicht nur das Volk, er ist das Volk. Jörg Haider braucht deshalb auch nicht andere zu fragen, er befragt nur sich. Und weil er weiß, was das Volk, nämlich er selbst, gemeinsam will, sind alle seine Vorstöße, alle seine Besuche, alle seine Reisen gut für Österreich. Und gut für seine Medienauftritte. Die nächsten Magazincover sind ihm gewiss - und deshalb auch ein Ansteigen der Wählerquote.

Diese Einstellung ist irreversibel, weil sie sich als erfolgreich erwiesen hat. Und weil sie andererseits für Ordnung in den eigenen Reihen sorgt. Dann kommt es vor, dass es sogar ultratreuen Gefolgsleuten Haiders wie Peter Westenthaler plötzlich "sehr schlecht geht", wenn sie zu stark auf die eigene Meinung und nicht auf die des Volkes in der Nähe des Klagenfurter Lindwurms hören. Dann spüren sie Liebesentzug und starke Hand zugleich.

"Haider war nie gefährlich", sagt Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in einem Interview mit der spanischen Tageszeitung El País. Wie man es nimmt: Gefährlich wie sein Gastgeber ist er sicher nicht. Aber ungefährlich? Seine Angriffe auf den Verfassungsgerichtshof? Seine Rückgriffe auf die autoritäre Vergangenheit? Alles nicht gefährlich? Schüssel selbst ist wieder einmal in Gefahr zu bagatellisieren, was längst aus dem Ruder geraten ist. Auch wenn er zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht gewusst hat, dass sein Kollege bei der Regierungsstiftung nicht nur als Sozialhelfer unterwegs war. Haider macht handfest Politik. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.2.2002)