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Brüssel - Mit einem klassischen Doppelspiel von Zuckerbrot und Peitsche engagiert sich die EU in der Entwicklung des Internets, das eben seine erste tiefgreifende wirtschaftliche Krise durchmacht. Zuerst erklärte die EU-Kommission am Dienstag, dass weit verbreiteter Breitbandzugang zum Internet der wichtigste Teil ihrer E-Economy-Strategie sei, um die EU bis 2010 zur wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsregion des Planeten zu machen. Kurz darauf, Dienstagabend, auf einer anderen Baustelle - dem EU-Finanzministerrat -, beschloss die EU dann die Besteuerung digitaler Verkäufe, deren Ursprung außerhalb des Gebietes der Union liegt. Die neue Richtlinie betrifft vor allem Software, Computerspiele, Musik und Videos, die von Käufern über Internet als Download bezogen werden, und schließt eine Art Steuerschlupfloch. Denn werden solche Waren (elektronische Dateien) von Verkäufern innerhalb der EU angeboten, unterliegen sie auch jetzt den jeweiligen Mehrwertsteuerbestimmungen. USA protestieren Die von den Finanzministern abgesegnete Richtlinie der EU-Kommission muss erst durch nationale Gesetzgebung umgesetzt werden. Damit, so Kommission und Finanzminister, sollen bestehende Wettbewerbsverzerrungen beseitigt werden: Angebote aus der EU sind jeweils um den Faktor Mehrwertsteuer teurer als Angebote etwa aus den USA, der größte Nicht-EU-Anbieter im Netz. Wenig überraschend habe die USA prompt gegen die neue Richtlinie protestiert. Solche "Alleingänge" bergen die Gefahr, dass eine globale Regelung nicht mehr möglich wird, erklärte ein Sprecher der US-Regierung. Allerdings verkaufen auch derzeit international tätige Unternehmen, etwa der Softwarehersteller Adobe, über das Netz nicht an Abnehmer außerhalb der USA, da diese Unternehmen ihre jeweils regionale Distribution und deren unterschiedliche Preise schützen. Ordert man beispielsweise bei Adobe Software, so wird eine Bestellung von außerhalb der USA und Kanada nicht akzeptiert. Klaglos funktioniert die Abwicklung elektronischer Bestellungen hingegen meist bei kleineren Softwareanbietern, die keine eigenen Niederlassungen in der EU haben. Registrierung Nach Absicht der EU sollen sich solche Anbieter in einem der EU-Staaten registrieren lassen und die dortige Mehrwertsteuer verrechnen und abführen. Das jeweilige EU-Land hat die Verpflichtung, den Steuerbetrag an das Land des Endabnehmers weiterzugeben. Unternehmen, die Mehrwertsteuer als Vorsteuer wieder von ihrer Steuerlast abziehen können, wären von der neuen Besteuerung nicht betroffen. "Die neue Richtlinie wird nur rund zehn Prozent der Verkäufe von Nicht-EU-Lieferanten an Endverbraucher betreffen", erklärte ein Sprecher der Kommission. Denn Konsumenten, erklärt Karl Bruckner, Steuerberater und Mitglied der heimischen Steuerreformkommission, trifft bei Downloads, die eine "sonstige Leistung" sind, derzeit keine Steuerpflicht. Zurück zur anderen EU-Baustelle, der Strategie für E-Economy. Mit dem Entschluss, Breitbandanschlüsse wie ADSL und Kabelnetze zur Priorität zu erklären, drückt die Kommission indirekt ihre Skepsis über das Entwicklungstempo von UMTS aus. "Wir waren zu optimistisch", sagt der zuständige EU-Kommissar Erkki Liikanen. Nach jüngsten Daten der EU-Kommission verfügen derzeit sechs Prozent der EU-Bürger über Breitbandzugänge, mit einem starken Nord-Süd-Gefälle. In Skandinavien ist die Rate am höchsten, Österreich liegt im oberen Mittelfeld, Griechenland ist das Schlusslicht. Um die hohen Kosten zu senken, setzt die Kommission auf Wettbewerb zwischen verschiedenen Technologien wie Telefonleitung, TV-Kabelnetze, Satelliten und Handynetze. (Reuters, spu, DER STANDARD, Printausgabe 14.2.2002)