Washington/Kabul - In Ostafghanistan verfolgen US-Ermittler weiter eine mögliche Spur zu Osama Bin Laden. Nach dem US-Raketenangriff nahe dem Höhlenkomplex Zawar Khili vor zehn Tagen haben die Ermittler nun genug DNA-Material der drei Toten gesammelt, um einen Gentest anfertigen zu lassen. Washington hatte angegeben, bei dem Angriff seien hochrangige Al-Qa'ida-Kämpfer getötet worden, darunter auch ein auffallend großer Mann. Bin Laden soll 1,93 Meter messen. Die afghanische Regierung und mehrere Reporter gehen hingegen davon aus, dass die Toten Zivilisten sind.

Afghanischen Behörden verhandeln indes mit einer Gruppe von 15 Taliban-Führern über deren Aufgabe. Unter ihnen befinden sich laut einem Sprecher des Gouverneurs von Kandahar auch ehemalige Minister. Der derzeitige Innenminister Yunis Kanuni erklärte unterdessen, Bin Laden und Omar seien beide noch am Leben. Omar lebe in der Provinz Helmand im Süden und werde von seinem Stamm geschützt. Bin Laden halte sich in der Grenzregion zu Pakistan auf.

Bis zu 50.000 Taliban-Kämpfer befinden sich nach Worten des Ministers noch in Afghanistan und stehen unter dem Schutz ihrer jeweiligen Stämme: "Die meisten von ihnen haben sich die Bärte abrasiert und die Form ihrer Turbane geändert." Laut der Provinzregierung von Kandahar gewährt auch der Iran Kämpfern der Taliban und der al-Qa'ida Unterschlupf. "Wir haben Berichte erhalten, dass besondere Lager für sie aufgebaut wurden", sagte ein Sprecher. Die iranische Regierung bestritt dies vehement.

In Kabul selbst normalisiert sich das Leben indes weiter: Mittwoch hoben erstmals Pilger vom Kabul Flughafen nach Mekka ab. Eine US-Menschenrechtsorganisation hat damit begonnen, Verluste und Schäden durch die US-Angriffe zu registrieren. Dies solle den Opfern helfen, Ansprüche auf Entschädigungen zu stellen, teilte die Gruppe Global Exchange mit. Man helfe, weil die afghanische Regierung keine Kapazitäten dafür habe.

Musharraf bei Bush

US-Präsident George W. Bush empfing am Mittwoch Pakistans Militärmachthaber Pervez Musharraf im Weißen Haus. Neben der Suche nach Osama Bin Laden standen auch der Kaschmir-Konflikt sowie das Schicksal des entführten US-Journalisten Daniel Pearl auf der Tagesordnung des Besuches. Für Musharraf ist die US-Visite eine entscheidende internationale Aufwertung. Er war nach seinem Putsch 1999 zunächst von den USA geächtet worden. (Der STANDARD, Printausgabe 14.2.2002)