Juristen machen sich Sorgen um den Rechtsstaat. Montag nächster Woche laden aus Anlass der Angriffe auf den Verfassungsgerichtshof die folgenden Institutionen zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion mit dem Thema "Rechtsstaat in Gefahr?": Die rechtswissenschaftliche Fakultät der Uni Wien; die Österreichische Hochschülerschaft; die Österreichische Notariatskammer; der Österreichische Rechtsanwaltskammertag; die Vereinigung der österreichischen Richter; die Vereinigung österreichischer Staatsanwälte (am 18. Februar, 19 Uhr im Dachgeschoß des Juridicums).

Diskussionsfreudig ist auch Justizminister Dieter Böhmdorfer selbst. Für Montag und Dienstag dieser Woche berief er eine "internationale Medienenquete" zum Thema "Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz in der Europäischen Union" ein. Viele Menschen sähen sich "einer faktischen Übermacht der Medienmacht gegenüber", erklärte Böhmdorfer. Kein Land komme daran vorbei, die "ausgeübte Medienmacht zu kontrollieren". Das ist richtig, die Frage ist aber, ob man damit, wie Böhmdorfer, die Kontrolle FPÖ-kritischer Journalisten meint.

Böhmdorfer hatte als Leibanwalt Haiders ein besonderes Verhältnis zur Pressefreiheit, in dem er kritische Journalisten, Wissenschafter und Künstler mit Klagen eindeckte, was ihm (neben seiner Haider-Frömmigkeit als Justizminister) eine Rüge der "drei EU-Weisen" einbrachte.

Nachdem Böhmdorfer Justizminister wurde, führte seine Kanzlei, die seinen Namen noch im Firmentitel trägt, diese Klagskampagne weiter (wenn auch mit relativ geringem Erfolg). Prozesstechnisch war dabei meist Herr Rechtsanwaltsanwärter Dr. Michael Rami aus der Kanzlei "Böhmdorfer-Gheneff Rechtsanwälte KEG" befasst. In zweiter Instanz landeten die Causen dann oft beim Richter Ernest Maurer, der das Vertrauen von Böhmdorfer, bzw. der FPÖ hat und durch Urteilsbegründungen auffällt, die (unter anderem) eine auffällige Emphase für Jörg Haider zeigt.

Und wer tritt bei Böhmdorfers Enquete als Experte, bzw. Diskutant auf? Rechtsanwaltsanwärter Rami und Richter Maurer.

Böhmdorfer will mit der Enquete unter dem Vorwand "sachlicher Diskussion" (auf den ihm sogar manche Journalisten hereinfallen) Stimmung machen. Die Gerichte sollen durch - so oder so interpretierbare Vergleiche mit der Medienrechtssituation in der EU - beeinflusst werden, Kritik an Politikern (vor allem Haider) viel stärker als bisher als Verstoß gegen den Persönlichkeitsschutz zu werten; und es soll auch ein Klima entstehen, um den Aktenzugang (ohne den kein großer Skandal der letzten 20 Jahre aufgedeckt worden wäre) unter dem Titel Persönlichkeitsschutz verbieten zu können.

Nachdem Böhmdorfer noch als Anwalt und dann die Kanzlei, die noch immer seinen Namen führt, mit Klagen wenig Glück hatte (u.a. wegen der Fülle an Parallelitäten zwischen Haiders Sprüchen und dem NS-Jargon, den RA Daniel Charim u.a. für den STANDARD herausarbeitete), versucht er es nun anders.

Persönlichkeitsschutz, auch für Politiker, ist wichtig. Aber er kann, wenn es wirklich um Schutz der Privatsphäre etwa von hilflosen Privatbürgern geht, dadurch gewährleistet werden, dass man die Geldstrafen empfindlich hinaufsetzt (dieser Vorschlag wurde Böhmdorfer sogar schon gemacht). In Wahrheit ist Böhmdorfer als Justizminister selbst ein Problem von Rechtsstaat und Pressefreiheit, wie der SP-Justizsprecher Jarolim konstatiert. Wenn etwas breit diskutiert gehört, dann die Tatsache, dass Böhmdorfer als Justizminister eine einzige Unvereinbarkeit verkörpert. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 12.2.2002) hans.rauscher@derStandard.at