Mit "Frequenzen [Hz]" beginnt in der Frankfurter Schirn Kunsthalle die Ära Max Hollein. Zur Eröffnung setzt der junge Direktor auf experimentelle Tonkunst und damit auf ein neues Publikum für die angegraute Schirn.
Markus Mittringer
Frankfurt - Frankfurt kam ihm entgegen. Man wollte genau ihn haben. Einer Ausschreibung hätte er sich nicht gestellt. Und: "Nach sechs Jahren in exponierter Position als rechte Hand von Thomas Krens am New Yorker Guggenheim-Museum war der Drang, Eigenes zu verwirklichen, groß genug, um wegzugehen." Seit einem Jahr ist Max Hollein Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, vergangenen Samstag eröffnete er das erste Ausstellungsprojekt unter seiner Federführung: Frequenzen [Hz] - Audiovisuelle Räume.

"Das Guggenheim war geprägt von einer Vision, von einem Menschen, manches hätte ich vielleicht anders gemacht, aber Loyalität war selbstredend Teil des Jobs. Noch länger in New York und ich wäre stecken geblieben, zu stark geprägt worden - guggenheimisiert."

Einer für alles

Seine Arbeit für die Architekturbiennale in Venedig war ein Pilotprojekt, erstmals konnte er zugleich Geld auftreiben und Programm machen. Die Leitung der Frankfurter Schirn sieht er als "ersten richtigen Job". Und im Gegensatz zu vielen Kollegen hält er eine Trennung von Finanz- und Programmdirektion für kontraproduktiv. "Jede künstlerische Entscheidung ist auch eine betriebswirtschaftliche. Ich würde mich auf keinen Fall in eine Institution setzen, wo es einen betriebswirtschaftlichen Leiter gibt. Es wäre fatal für die Schirn, würde einer eine Vision entwickeln und der andere diese mit einem Sparprogramm beschneiden.

Also Frequenzen anstatt Monet und die Folgen aus irgendeiner Privatsammlung. So etwas würde ich nie machen. Meine Aufgabe ist ganz sicher, ein breites Publikum für die Schirn zu interessieren. Frequenzen ist dabei eine Öffnung hin zu einem jüngeren, vielleicht zu einem intellektuelleren Publikum. Aber so etwas funktioniert nicht durchgehend."

Pläne: "Shopping" eine kulturhistorische Schau zur Warenpräsentation

Parallel dazu zeigt Hollein Arnold Schönberg, plant unter dem Thema "Shopping" eine kulturhistorische Schau zur Warenpräsentation. Mit dabei: Rem Kohlhaas und als Korrespondenten aus dem Alltag Hertie, Karstadt und Kaufhof. Henri Matisses Scherenschnitte folgen. In Kooperation mit dem Pariser Centre Pompidou und der Kunsthalle Wien wird gerade eine Schau zum "kitschigen" Spätwerk Francis Picabias erarbeitet. Damit sieht Hollein die Bandbreite des Schirn-Spektrums abgedeckt. Einziges Überbleibsel seines Vorgängers ist eine Kelten-Schau: "Die war nicht mehr abzusagen".

"Die Schirn brauchte einen Anstoß von außen, jemanden, der den Familienbetrieb auffrischt. Sie ist eine Institution mit Ruf, die in den letzten Jahren sicher nicht die glorreichsten Zeiten gehabt hat. Das lag vielleicht am eklektischen Programm, sicher auch an Finanzproblemen."

Gerade die soll Hollein auch lösen. Mit mehr Budget als sein Vorgänger, mit neuen Sponsoren und Partnern. "Mich interessiert Frankfurt als Finanzzentrum, weil es interessant ist, mit wirklichen Entscheidungsträgern reden zu können. Mögliche Partner sind hier nicht lokale Manager, sondern Leute, die einen gewissen Einfluss auf die Weltwirtschaft haben. Trotz mancher provinzieller Aspekte ist Frankfurt dahingehend eine Weltstadt." Und die Partner springen auf. Eben hat Max Hollein ein Schirn-Kuratorium zusammengestellt. Vorsitzender dieses Beirates ist Rolf Breuer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank.

Hollein glaubt daran, dass zumindest die Schirn wieder an die große Zeit Frankfurts in den 80er-Jahren anschließen und "eine relevante, bisweilen provokante Stimme im internationalen Kunstgeschehen werden kann".

Kein zweites großes Ausstellungshaus in der Mainmetropole

Neben der Schirn gibt es kein zweites großes Ausstellungshaus. Das Museum Moderner Kunst beschränkt sich im Wesentlichen auf die Präsentation der eigenen Sammlung. Der Kunstverein ist schon größenmäßig nicht zu vergleichen. Einzig die Städelschule fährt unter ihrem jungen Direktor Daniel Birnbaum ein innovatives Ausstellungsprogramm.

An der problematischen architektonischen Struktur der Schirn - ein nur acht Meter breiter Schlauch - kann Hollein nichts ändern. Das Foyer hat er bereits durch das Wiener Architekturbüro Kühn/ Malvezzi entstauben lassen. Über temporäre oder auch fixe Dependancen in der Stadt denkt Max Hollein aber schon konkret nach.

Die Architektur ist auch das verbindende Element der Sound-Schau Frequenzen. Nikolaus Hirsch und Michael Müller ("Ich kannte sie, weil sie einen Wettbewerb gegen meinen Vater gewonnen haben") haben die Hörstücke auch im visuellen Sinn zu Exponaten gemacht.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.02. 2002)