Europa
Aufruf zum Generalstreik spaltet Italiens Gewerkschaftsfront
Stärkster Arbeitnehmerverband vehement gegen Aufweichung des Kündigungsschutzes
Rom - Mit einem Aufruf zum Generalstreik ist am Sonntag der
Kongress des stärksten Gewerkschaftsverbandes Italiens, CGIL, zu Ende
gegangen. CGIL-Chef Sergio Cofferati kündigte vor den Delegierten aus
ganz Italien heftigen Widerstand gegen die wirtschaftspolitischen
Pläne der Mitte-Rechts-Regierung von Silvio Berlusconi an, die ohne
die Zustimmung der Arbeitnehmerverbände die Aufweichung des
Kündigungsschutzes sowie die Liberalisierung des Ruhestandsalters
durchsetzen will. Die linksorientierte CGIL zählt fünf Millionen
Mitglieder. Der Aufruf der CGIL zum Generalstreik droht die Einheit der
italienischen Gewerkschaftsfront zu spalten. Die gemäßigteren
Verbände CISL und UIL sind der Ansicht, dass auf Grund der großen
Festigkeit der Berlusconi-Koalition im Parlament eine direkte
Konfrontation mit der Regierung vollkommen sinnlos wäre. Das
Mitte-Rechts-Bündnis sei stark genug, ohne Zustimmung der
Sozialpartner seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen
durchzusetzen. Zähigkeit auf dem Verhandlungstisch sei vernünftiger,
als Straßenproteste zu organisieren, meinte CISL-Chef Savino
Pezzotta.
Konfrontation wegen politischer Ambitionen?
Politischen Beobachtern zufolge beharrt Cofferati auf einem
harten Konfrontationskurs mit der Regierung, weil er hochgeschraubte
politische Ambitionen hegt. Sein Ziel sei, eine zentrale Rolle im
krisengeschüttelten Mitte-Links-Block einzunehmen, wo die
Unzufriedenheit mit der Führung von Oppositionschef Francesco Rutelli
wachse. Der Mitte-Links-Block brauche einen charismatischen Führer,
der ihn aus der tiefen Identitätskrise retten könne, in die er seit
der Niederlage bei den Parlamentswahlen im Mai gestürzt ist. Der
temperamentvolle und redegewandte Cofferati könnte diese Rolle
übernehmen.
Die Regierung zeigte sich von Aufruf zum Generalstreik
unbeeindruckt. "Ein Generalstreik wird die Arbeit der Regierung
keineswegs beeinflussen", erklärte Wirtschaftsminister Giulio
Tremonti am Sonntag. Er warf Cofferati vor, seine Aufgaben als
Gewerkschaftschef vergessen zu haben und sich in die Rolle des
Oppositionschefs gestürzt zu haben. (APA)