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Allmählich findet auch bei uns eine Therapie Verbreitung, mit der in den USA und England hervorragende Erfolge erzielt werden: Arbeit mit Pflanzen baut Stress ab, trainiert Denkprozesse und Feinmotorik und verschafft psychisch oder physisch Kranken Erfolgserlebnisse. Lebendiges Grün ist Balsam für die menschliche Seele. Ganz besonders empfänglich dafür sind Menschen, die psychisch oder physisch beeinträchtigt sind, sei es durch Krankheit, Altersbeschwerden oder auch durch ein gestörtes soziales Umfeld. Es liegt daher nahe, diesen Menschen - vom Kind bis zum Greis - neben "herkömmlichen" Therapien auch Hilfe aus der Natur anzubieten: die Gartentherapie. Wie so vieles gab es auch die Gartentherapie schon vor langer Zeit, nur nannte man sie damals nicht so. Soziale und medizinische Einrichtungen wie Spitäler oder Waisenhäuser hatten ihre eigenen Gärten, die gleichermaßen von allen Hausbewohnern bewirtschaftet wurden - primär wegen der Ernteerträge, aber auch, weil die Arbeit an der frischen Luft, mit Pflanzen und Tieren den Menschen gut tat. Heute kommt die Tendenz "zurück zur Natur" vor allem aus Amerika und England, wo Gartentherapie bereits seit Jahrzehnten als eigene wissenschaftliche Disziplin etabliert ist. Das Konzept besteht darin, durch zielgerichtete Aktivitäten mit Pflanzen die Lebensqualität von Menschen aller Altersstufen zu erhöhen und ihren psychischen und/ oder physischen Gesundheitszustand zu verbessern. "Gartenarbeit bietet psychisch Kranken die Möglichkeit, entweder in der Gruppe soziale Kontakte zu knüpfen, oder sich zurückzuziehen", erläutert Birgit Hotwagner, eine der wenigen heimischen Gartentherapie-Expertinnen, einen Aspekt dieser Behandlungsform. Gleich zweifach wirkt sich die Therapie etwa auf Patienten mit Schlaganfällen oder Hirnverletzungen aus: "Sie trainieren Denkprozesse, weil sie sich Arbeitsabläufe überlegen müssen: Ehe ich topfen kann, muss ich Erde, Topf und Schaufel holen. Und sie üben bei der Arbeit mit den Pflanzen ihre Feinmotorik." Doch der wichtigste therapeutische Aspekt ist wohl der Stressabbau. Allein die Umgebung - "ein Garten ängstigt nicht" (Hotwagner) - beruhigt Menschen jeden Alters und lässt sie den oft ungeliebten Aufenthaltsort Krankenhaus, Pflegeheim, Sonderschule, Rehabilitationszentrum oder Gefängnis vergessen. Während es in England bereits rund 1500 Gartentherapieprojekte gibt, mit denen ungefähr 60.000 Menschen pro Jahr betreut werden, muss man hierzulande Vergleichbares mit der Lupe suchen. "Es gibt eine ganze Reihe von Einzelprojekten", weiß Hotwagner, "aber sie sind nicht vernetzt, jeder fängt bei null an." Dieser Missstand war einer der Beweggründe für die diplomierte Landschaftsgestalterin, gemeinsam mit der Österreichischen Gartenbaugesellschaft erstmals ein Gartentherapie-Symposium zu initiieren (siehe Termine links). Die hiesigen Vorzeigeprojekte - z. B. das Geriatriezentrum am Wienerwald, das Rehabilitationszentrum Weißer Hof in Klosterneuburg, die Emmaus City Farm in St. Pölten, der Natur- und Therapiegarten des Landesjugendheimes Korneuburg - stoßen laut Hotwagner zwar auf "großes Interesse, aber letztlich fehlt fast immer das nötige Geld". Denn mit der Anlage eines therapiegerechten Gartens ist es noch nicht getan: Therapeuten müssen gärtnerisch oder Gärtner therapeutisch geschult werden, damit die Arbeit mit den Pflanzen auch richtig gemacht wird. "Die Menschen brauchen das Erfolgserlebnis, Pflanzen wachsen und gedeihen zu sehen, also soll die Gartenarbeit nicht nur Mittel zum Zweck sein", meint Hotwagner. Sie hält auch an der Wiener Universität für Bodenkultur Vorlesungen über Gartentherapie. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9./10. 2. 2002)