Wirtschaft
866 Millionen Euro verschwunden
Der größte Bankbetrug seit dem Fall der Barings Bank? Untersuchungen angelaufen - FBI warnt vor voreiligen Schlüssen
Dublin/Baltimore - Die größte Bank Irlands, die Allied Irish Bank Plc, sieht
sich möglicherweise mit einem der größten Betrugsfälle seit dem
Zusammenbruch der britischen Barings Bank durch die
Spekulationen ihres Händlers Nick Leeson konfrontiert. AIB
teilte am Mittwoch in Dublin mit, ein Devisen-Händler bei der
US-Tochter Allfirst in Baltimore werde verdächtigt, die Bank
durch Scheingeschäfte um bis zu 750 Millionen Dollar (rund 866
Millionen Euro) geschädigt zu haben. Die Gefahr eines
Zusammenbruchs von AIB bestehe allerdings nicht, versicherte
Finanzdirektor Gary Kennedy. Die US-Bundespolizei FBI wurde
eingeschaltet. Ein Anwalt des Beschuldigten wies die Vorwürfe
zurück.
Der Derivatehändler Leeson hatte bei der
Barings-Niederlassung in Singapur die britische Traditionsbank
durch nicht genehmigte Geschäfte um 830 Millionen Pfund Sterling
(rund 1,36 Milliarden Euro) geschädigt und damit den Kollaps von
Barings ausgelöst. "Ich weiß, dass die Leute Vergleiche mit
Barings ziehen werden, aber es gibt bedeutende Unterschiede",
betonte Kennedy im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters.
Der ausschüttungsfähige Gewinn des Geschäftsjahres 2001 werde
durch die Auswirkungen der Verluste aus dem mutmaßlichen
Betrugsfall auf 401 Millionen Euro von 997 Millionen Euro im
Vorjahr schrumpfen.
Devisenhändler bestreitet Schuld
Nach Angaben von AIB war der verdächtigte Händler John
Rusnak nicht mehr an seinem Arbeitsplatz erschienen. Die Bank
habe die US-Bundespolizei FBI um Hilfe bei den Ermittlungen
gebeten. Ein Haftbefehl gegen Rusnak liegt jedoch nach
FBI-Angaben aus Baltimore nicht vor. Rusnak, der bestreitet die Gelder veruntreut zu haben, werde noch von den
Bundesbehörden vernommen, sagte ein FBI-Sprecher.
"Das ist nicht an einem Tag erledigt"
Das FBI warnte
vor vorschnellen Schlüssen bei der mutmaßlichen Unterschlagung.
Die Untersuchungen dauerten an, sagte ein FBI-Sprecher am
Freitag in Baltimore. FBI-Sprecher Peter Gulotta sagte, es müssten eine Reihe von
Akten geprüft und Leute befragt werden. "Wir machen
Fortschritte, aber das ist nicht an einem Tag erledigt."
Untersuchung
Allied hatte nach eigenen Angaben die interne Untersuchung
bereits vor mehreren Wochen begonnen. Die Prüfung sei auf
Rusnaks Arbeitsbereich konzentriert worden, nachdem dieser auf
Nachfragen des Managements nicht geantwortet habe. Die irische
Zentralbank teilte mit, auch sie stehe in dem Fall in engem
Dialog mit AIB. Zugleich äußerte sich die Zentralbank befriedigt
darüber, dass AIB finanziell auf soliden Füßen stehe.
Nach einer Sondersitzung des Boards kündigte die Bank an,
dass innerhalb von 30 Tagen ein umfassender Bericht erstellt
werde. Zudem soll ein externen Experte den Vorgang eingehend
untersuchen. Bankchef Michael Buckley bedauerte in Dublin, dass
die Sicherheitskontrollen versagt hätten. Er sagte eine
umfassende Aufklärung des Vorgangs zu.
Ruf nach schärferen Kontrollen
Die Allied Irish Banks kündigte weiters an neue Handelskontrollen
einführen zu wollen, um ähnliche Vorkommnisse künftig zu verhindern. Darüber hinaus kündigte die AIB an, das Management und die
Kontrolle der Devisengeschäfte in Dublin unter der Kontrolle von Nick
Treble, Leiter von of AIB Capital Markets Treasury, anzusiedeln. Er
werde wiederum direkt Colm Doherty, Leiter von AIB Capital Markets,
unterstellt sein. (APA/Reuters)