Unternehmen
Rasinger sieht Rettberg nicht "hinter Gittern"
Kleinaktionärsvertreter erwartet "maximal bedingte Verurteilung"
Wien - Das Sondergutachten über den Niedergang der Buch- und
Papierhandelskette Libro, das einige schwerwiegende Vorwürfe gegen
die ehemaligen Vorstände sowie den früheren Aufsichtsrat erhebt, wird
voraussichtlich straf- und zivilrechtliche Folgen für "Mr. Libro"
Andre Rettberg haben. Kleinaktionärsvertreter Wilhelm Rasinger
rechnet aber nicht damit, dass Rettberg hinter Gitter gehen wird. "Es
wird eine Fülle von Milderungsgründen geben und daher maximal eine
bedingte Verurteilung", sagte Rasinger am Mittwoch."Notwendiges Signal"
Der Aktionärsschützer hält ein gerichtliches Vorgehen aber für ein
notwendiges Signal: "Plötzliche Milliardenverluste müssen
strukturiert aufgearbeitet werden", so Rasinger und fordert eine
ähnliche Vorgangsweise beim Feuerfestkonzern RHI. Das Gutachten
könnte auch ein "Trumpf in der Hand des Vorstandes" gegen alle im
Prüfbericht genannten möglichen Betroffenen sein, darunter auch die
Wirtschaftsprüfer, die Libro-Geschäftsgebarungen abgesegnet haben.
"Das verschafft dem Vorstand eine gute Verhandlungsposition für einen
eventuellen Vergleich", sagte Rasinger.
Den Aktionären werden allerdings weder mögliche
Schadenersatzforderungen gegen frühere Organe noch eine
strafrechtliche Verfolgung der Ex-Vorstände etwas bringen, so
Rasinger. Die Aktionäre hätten zwar die Hauptlast der Misere
getragen, "jetzt haben sie de facto Null davon".
Anders sieht das der Wiener Anwalt und ebenfalls
Kleinaktionärsvertreter Wolfgang Leitner. "Mittelbar könnte es auch
einen Vorteil für die Aktionäre geben, weil das Unternehmen dann
besser dasteht", sagte er im ORF-Mitttagsjournal. Genau zu prüfen sei
auch, ob es nicht auch eine Prospekthaftung in Zusammenhang mit dem
Börsegang der Libro AG im Herbst 1999 ins Treffen geführt werden
könnte.
Zeitpunkt entscheidend
Entscheidend für die weitere Vorgangsweise ist die Frage, zu
welchem Zeitpunkt die Krise bei Libro absehbar war. Laut dem
Gutachten, das Kurzzeit-Finanzminister und Wirtschaftsprüfer Andreas
Staribacher erstellt hat, konnte "mangels eines detaillierten
Management-Informationssystems der genaue Zeitpunkt der Erkennbarkeit
der Unternehmenskrise nur näherungsweise ermittelt werden". Anhand
der Bilanz vom 29. Februar 2000 habe sich aber schon erkennen lassen,
dass Libro in einer Krise stecke. Sollte ein Gericht auf Basis der
Staribacher-Feststellungen eine Insolvenzverschleppung erkennen,
droht Rettberg eine Haftstrafe. (APA)