Unternehmen
Milliardenbetrug an irischer Bank
Devisenhändler verschwand mit 868 Millionen Euro
Dublin - Ein Devisenhändler hat die größte irische Bank
Allied Irish Bank (AIB) in den USA um 750 Mill. Dollar (864 Mill.
Euro/11,89 Mrd. S) betrogen. Der Betrug ereignete sich in der
amerikanischen Allfirst Financial Inc. (Baltimore/Maryland), einer
Tochter der AIB. Es ist der größte, seit im Februar 1995 der
Börsenmakler Nick Leeson in Singapur den Zusammenbruch der
Baring-Bank durch illegale Transaktionen in Höhe von 850 Mill. Pfund
(1,390 Mrd. Euro/19,1 Mrd. S) herbeiführte."Schwerer Schlag, aber kein tödlicher"
AIB-Chef Michael Buckley sagte am Mittwoch in Dublin vor
Journalisten: "Ich möchte betonen, dass wir, wenn wir in diesem Jahr
750 Mill. Dollar abschreiben müssen, immer noch einen Gewinn nach
Steuern für das Jahr 2001 ausweisen werden." Das Überleben seiner
Bank sei nicht bedroht. "Dies ist ein schwerer Schlag, aber kein
tödlicher. Wir werden die Geschäfte, was unsere Kunden und
Mitarbeiter angeht, wie normal weiter führen."
Verschwunden
Der Mitarbeiter ist Buckley zufolge seit Montag verschwunden. Er
arbeitete in der Zentrale der Allfirst. Nach Angaben aus AIB-Kreisen
in Dublin handelt es um John Rusnak, einen "Mann in den Vierzigern,
seit sieben Jahren bei uns beschäftigt, Vater von zwei Kindern und
regelmäßiger Kirchgänger". Rusnak sei im unteren bis mittleren
Management beschäftigt gewesen und mit 85.000 Dollar pro Jahr relativ
gering bezahlt worden. Buckley sagte lediglich: "Es handelte sich
nicht gerade um einen Star unter den Händlern."
Buckley sagte, bisher sei noch nicht klar, ob der Betrug dazu
diente, jemandem finanzielle Vorteile zu verschaffen oder ob es sich
"möglicherweise nur um ein fürchterliches Durcheinander" gehandelt
habe. Nach Bekanntwerden des Diebstahls hat die Bank die
amerikanische Bundespolizei FBI eingeschaltet. Man glaube, dass sich
der Devisenhändler noch im Raum Baltimore aufhalte. Fünf leitende
Manager der Allfirst seien suspendiert worden. Dies bedeute jedoch
nicht, dass sie mit dem Diebstahl etwas zu tun hätten. Es gebe
Anzeichen dafür, dass Rusnak in der Bank Helfer gehabt habe. Dies sei
aber noch nicht erwiesen.
Vorläufige Zahlen
Der irische Premierminister Bertie Ahern sagte vor dem Parlament
in Dublin, es sei keineswegs sicher, dass der Schaden nicht noch
größer sei. "Das sind natürlich nur vorläufige Untersuchungen, bei
denen man derzeit ohne den Hauptbeteiligten vorankommen muss." Das
Ausmaß des Betruges löste in der Bankenwelt Bestürzung und Fragen
nach Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen bei großen
Finanzdienstleistern aus.
Leeson: Bankenwelt weiter fahrlässig
Die Bankenwelt hat nach Ansicht des
ehemaligen britischen Börsenmaklers Nick Leeson, dessen betrügerische
Geschäfte 1995 den Zusammenbruch der britischen Bank Barings zur
Folge hatten, nichts dazugelernt.
In einem BBC-Interview sagte Leeson
am Donnerstag, der Betrugsfall zeige, dass in der Bankenwelt immer noch "Inkompetenz und
Fahrlässigkeit" an der Tagesordnung seien.
Leeson sagte, der einzige Unterschied zu seinem Börsenbetrug in
Höhe von 850 Mill. Pfund (1,390 Mrd. Euro/19,1 Mrd. S) sei, dass die
irische Bank den Schaden vermutlich überstehen könne. Wie er, sei
auch Rusnak von "relativer Obskurität zum Starhändler" aufgestiegen,
sagte Leeson. Er habe dann immer mehr Risiken auf sich genommen und
schließlich die Kontrolle verloren. Die Frage sei, warum er nicht vom
Management gestoppt worden sei, sagte Leeson der BBC.
(APA)