München/Berlin - Banken hüllen sich normalerweise in Schweigen über ihre Kreditnehmer: Doch der Chef der Deutschen Bank, Rolf-Ernst Breuer, nennt Leo Kirchs Konzern offen nicht mehr kreditwürdig und verkündet, diese Einschätzung teile die ganze Bankenszene. "Die Finanzbranche ist unter den gegebenen Umständen nicht bereit, Kirch weitere Mittel zur Verfügung zu stellen", sagte Breuer in einem TV-Interview. Die einzigen, die Kirch noch unterstützen könnten, seien Drittparteien. Das könnte etwa Gesellschafter Fininvest, also Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi, sein. Der Kurs der ProSieben-Aktie stürzte Dienstag steil ab.Mit fast sechs Millionen Euro in der Kreide Das Unternehmen des Münchner Medienhändlers, zu dem die Sender Sat.1, Pro Sieben und Premiere gehören, steht mit fast sechs Milliarden Euro (82,56 Mrd. S) bei Kreditgebern in der Kreide. Die Deutsche Bank ist mit rund 700 Millionen Euro (9,6 Mrd. S) bei Kirch engagiert. Größter Kreditgeber mit rund 2,2 Milliarden Euro ist die Bayerische Landesbank, die Kirch ebenso keine weiteren Finanzmittel zur Verfügung stellen will. Gerüchte, wonach die Kredite der BayernLB nur teilweise abgesichert sind und nur auf Intervention der bayerischen Landesregierung gewährt wurden, könnten den Wahlkampf des bayerischen Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten von CDU/ CSU, Edmund Stoiber, empfindlich stören. Aber auch Bundeskanzler Gerhard Schröder setzte sich für die Rettung des angeschlagenen Medienkonzerns ein. Der SPD-Politiker sprach mehrmals mit dem Chef der Deutschen Bank, was dessen Erklärung besondere Brisanz gibt. Frist wurde bis Ende April verlängert Bereits im Dezember wurde es für den Kirch-Konzern eng. Nur mit Mühe konnten Leo Kirchs Manager die Dresdner Bank dazu überreden, die Frist für einen fällig gewordenen Kredit in Höhe von 460 Millionen Euro bis Ende April zu verlängern. Bis dahin will aber auch der Springer-Verlag 767 Millionen Euro überwiesen bekommen für den Rückkauf der Springer-Anteile an der ProSiebenSat.1-Familie (DER STANDARD berichtete). Eine weitere Verkaufsoption hat der australoamerikanische Medienunternehmer Rupert Murdoch. Er hält 22 Prozent am Pay-TV Premiere. Wenn es Murdoch wünscht, muss ihm Kirch diese im Oktober für rund 1,7 Milliarden Euro wieder abkaufen. Spätestens das, meinen Beobachter, würde den Bankrott der Kirch-Gruppe bedeuten. Indizien über Murdochs Vorhaben werden bei einer Bilanzpressekonferenz Mitte Februar erwartet. Übernimmt er bei Teilen oder der gesamten Kirch-Gruppe die Mehrheit, könnte Murdoch nach vergeblichen Anläufen in großem Stil auf dem deutschen TV-Markt Fuß fassen. (DER STANDARD; Print-Ausgabe vom 6. Februar 2002)