Wien - "Nach tschechischem Recht haben viele Sudetendeutsche Landesverrat begangen, ein Verbrechen, das nach dem damaligen Recht durch Todesstrafe geahndet wurde. Wenn sie also vertrieben oder transferiert wurden, war das milder als die Todesstrafe", polterte jüngst der tschechische Premierminister Milos Zeman. Der Gedanke der Kollektivschuld der Sudetendeutschen, auf dem auch die Benes-Dekrete beruhen, ist also noch aktuell. Vergessen scheint jedoch, dass es auch unter den Sudetendeutschen Gegner des Nationalsozialismus gab. Antifaschist enteignet Ein solcher Fall ist auch der des mittlerweile verstorbenen Karel Walderode. Dieser war während des Zweiten Weltkriegs Antifaschist und konnte daher nach Kriegsende, wie andere NS-kritische Sudetendeutsche, in der Tschechoslowakei bleiben und die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft behalten. Durch die Benes-Dekrete wurde er jedoch wegen seiner deutschen Herkunft entschädigungslos enteignet. Nach der kommunistischen Machtübernahme wurde Walderodes Besitz "vergesellschaftet". Er floh nach Österreich und verlor seine tschechoslowakische Staatsbürgerschaft. Als er nach der "samtenen Revolution" von 1989 in seine Heimat zurückkehrte, bekam er die tschechische Staatsbürgerschaft problemlos wieder zuerkannt. 1992 trat schließlich das tschechische Restitutionsgesetz in Kraft, das die Rückgabe des unter den Kommunisten enteigneten Besitzes regelt. Walderode stellte einen Antrag auf Rückgabe seiner Ländereien und schloss einen Vertrag mit dem damaligen tschechischen Besitzer, der von der zuständigen Behörde anerkannt wurde. Abgestempelt Der Fall begann daraufhin weite Kreise zu ziehen. "Dass ein Sudetendeutscher seinen Besitz zurückhaben wollte, rief in der tschechischen Öffentlichkeit große Empörung hervor", erzählt Peter Wassertheurer, wissenschaftlicher Leiter der Sudetendeutschen Landsmannschaft Österreichs, im Gespräch mit dem Standard. Walderode sei in diesem "öffentlichen Prozess" zum Faschisten abgestempelt worden. 1993 nannte der damalige tschechische Regierungschef Václav Klaus in einem Schreiben die Rückgabe des konfiszierten Vermögens "zwar rechtens, aber nichtsdestoweniger inakzeptabel". Im Jahr 1996 kam es zu einer Gesetzesänderug, laut der nicht der "ständige Aufenthalt" seit der Antragsstellung auf Entschädigung, sondern der "ununterbrochene Besitz der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum 1. Jänner 1990" Kriterium für Restitutionsansprüche sei. UNO gibt Witwe Recht Durch diese Gesetzesänderung verlor Walderode rückwirkend jeglichen Entschädigungsanspruch. Aus Angst, man könne den Prozess in Tschechien aufgrund seines hohen Alters absichtlich verzögern, wandte er sich an das UN-Menschenrechtskomitee. Im Urteil aus dem Jahr 2001 wird Tschechien wegen der offensichtlichen Diskriminierung Walderodes zu Entschädigungszahlungen an seine Witwe verurteilt, bis jetzt hat Tschechien jedoch noch keine Reaktion gezeigt.(DerStandard,Print-Ausgabe,5.2.2002)