Belgrad/Banja Luka/Den Haag - Die Fahndung nach dem "meist gesuchten Kriegsverbrecher", dem früheren bosnischen Serben-Führer Radovan Karadzic, hat sich nach den Angaben der in Banja Luka erscheinenden Tageszeitung "Nezavisne novine" intensiviert. Das Blatt berichtet, dass Angehörige des deutschen Kontingentes der internationalen Stabilisationstruppe SFOR seit Sonntag regelmäßig auch nächtliche Verkehrskontrollen durchführen. Die Tageszeitung beruft sich dabei auf die Aussagen eines deutschen Oberstleutnants. Die deutschen SFOR-Soldaten sind für das Gebiet zwischen Rajlovac bei Sarajewo bis hin zu Srbinje (früher Foca), an der bosnisch-jugoslawischen Grenze, zuständig. Die Medien hatten zuvor über intensivierte Aktivitäten der britischen und amerikanischen SFOR-Soldaten in der Region von Trebinje, Bileca und Gacko in Südostbosnien berichtet. Voraussichtlich wird sich damit die Zahl der Haftinsassen des Haager UNO-Kriegsverbrechertribunals in Bälde erhöhen. Auch der bosnisch-serbische Militärführer Ratko Mladic, der sich angeblich weiterhin in der Umgebung Belgrads versteckt, dürfte sich nicht mehr sicher wähnen. 32 Personen auf freiem Fuß Das UNO-Tribunal für Ex-Jugoslawien hat sich noch mit 82 Anklagen zu befassen. Während sich 44 Angeklagte im Tribunalsgefängnis von Scheveningen befinden, sind weitere 32 Personen noch auf freiem Fuß. Die Identität von zwei Angeklagten wurde bis jetzt nicht veröffentlicht. Weitere sechs Angeklagte wurden freigelassen, um den Prozessbeginn in Freiheit abzuwarten. Dies gilt auch für die einzige Frau unter den Angeklagten, die frühere bosnisch-serbische Präsidentin Biljana Plavsic. Seit der Einrichtung des Tribunals im Mai 1993 wurden 16 Prozesse abgeschlossen. Elf Angeklagte wurden zu Haftstrafen zwischen drei und 46 Jahren verurteilt. Fünf weitere wurden freigesprochen. Drei Angeklagte verstarben während der Haft, was zur Einstellung der gegen sie geführten Prozesse führte. Einer der Verurteilten - Drazen Erdemovic - der am 5. März 1998 wegen der Ermordung von rund 100 Personen in Srebrenica zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war, hat seine Strafe in einem norwegischen Gefängnis bereits abgebüßt. Am raschesten expeditivsten hatte sich das Tribunal in der Causa Ante Furundzija gezeigt. Der Prozess gegen den bosnischen Kroaten dauerte fünf Monate und 20 Tage. Der bisher längste Prozess (in erster Instanz) wurde gegen den bosnisch-kroatischen General Tihomir Blaskic - zwei Jahre und sieben Monate - geführt. Prozess gegen Milosevic beginnt am 12. Februar Der am 12. Februar beginnende Prozess gegen den prominentesten Haftinsassen in Scheveningen, den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic, dürfte alle Rekorde schlagen. Die Chefanklägerin Carla del Ponte hatte Ende Oktober rund 340 Prozesstage für die Vorführung von Beweisen gegen Milosevic beantragt. Die kürzeste Anklage - eineinhalb Seiten - wurde gegen den früheren Führer der Krajina-Serben, Mile Martic, erhoben. In der Causa Martic hatte das Tribunal auch rasch gehandelt. Die Anklage wegen Granatenbeschusses von Zagreb am 2. und 3. Mai 1995 lag bereits knapp drei Monate später - am 24. Juli - vor. Amtierender serbischer Präsident unter den Angeklagten Einer der Angeklagten hat noch immer ein offizielles Amt inne. Der serbische Präsident Milan Milutinovic war zusammen mit Milosevic wegen Kriegsverbrechen im Kosovo angeklagt worden. Sein Verbleiben im Amt wird in Belgrad mit der komplizierten Amtsenthebungsprozedur erläutert. Die Amtsperiode Milutinovics läuft Ende des Jahres ab. Es wird nicht ausgeschlossen, dass Milutinovic noch vorher im Tribunal als Zeuge im Prozess gegen Milosevic aussagt. Das UNO-Tribunal will seine Arbeit, was die Erhebung von Anklagen angeht, bis 2004 absolvieren. In den darauf folgenden vier Jahren sollen auch alle noch vorstehenden Prozesse beendet werden.(APA)