Seit den Achtzigerjahren fertigt Erwin Wurm Skulpturen, in denen er den Prozess bildhauerischer Kunst ironisch thematisiert. In Graz sind sie nun in der Schau "Fat Survival" zu sehen.
von STANDARD-Mitarbeiter Ulrich Tragatschnig
Foto: Landesmuseum Joanneum/Lackner
"Zu- und Abnehmen ist Arbeit am Volumen.
Bildhauerei ist Arbeit am Volumen.
Also ist Zu- und Abnehmen Bildhauerei."
Erwin Wurm entdeckt die Skulptur im Körper.
Graz - Was Erwin Wurm zum Konzeptkünstler macht, ist seine Auseinandersetzung mit den Grundbedingungen von Kunst. Was ihn von den meisten der sonst unter solch schwammigem Titel Firmierenden unterscheidet, ist die konsequent auf Ironie setzende Thematisierung bildhauerischer Handlungsweisen. Das war schon in den Achtzigerjahren so, als Wurm noch bemalte Skulpturen aus Holz-oder Metallteilen herstellte.

Schon damals war Marcel Duchamp mehr als bloßer Stichwortlieferant, wie etwa die futuristisch aufgelöste "Figur auf der Treppe" von 1983 unter Beweis stellt. Dem Leitbild entspricht dann auch der baldige Verzicht auf Manufaktur, der Einsatz vorgefertigter Gebrauchsgegenstände in den Neunzigerjahren, die nun in der Neuen Galerie in Graz resümiert sind.

Handelsübliche Pullover, nach genau vorgeschriebener Faltung über je zwei in die Wand geschlagene Nägel gehängt, werden ihrer Gebrauchsgängigkeit schnell enthoben. Zu abstrakt-plastischem Eigenleben wird auch den Kleidungsstücken verholfen, welche Wurm über geometrische, die jeweilige Konfektionsgröße gerade noch nicht sprengende Körper spannt. Die glattbüglerische Trotzigkeit im Umgang mit den der Körperform des Menschen angepassten, nun aber überflüssigen Teilen der Kleider bezeugt die Dysfunktionalität des Ausgangsmaterials und erzählt in Persiflage einfachster Proportionsschemata vom Normalbenutzer als Abwesendem. In "59 Positionen" wieder zurück in die Pullover gesteckt, bleibt dieser in Missachtung regulärer Garderobekonventionen oft gänzlich im Strickwerk verstrickt, erscheint als amorphe Gestalt.

Foto: STANDARD/Semotan
Palmers-Plakat von Erwin Wurm
"Zu- und Abnehmen ist Arbeit am Volumen. Bildhauerei ist Arbeit am Volumen. Also ist Zu- und Abnehmen auch Bildhauerei." Auf solch karg-philosophischem Syllogismus fußen die Arbeiten, welche, in Einrechnung einschlägiger Werbebotschaften, das Bild des Menschen mit dessen aufgedunsenem (weil in unzähligen Schichten bekleideten) Ebenbild konfrontieren oder die Aufblähung eines Alfa Romeo betreiben. Mitausgestellt ist ein als Künstlerbuch edierter Diätplan, der, in Umkehrung bekannter Heilsversprechungen, Anweisungen darüber enthält, wie man möglichst umweglos, in nur acht Tagen, von Größe 50 auf Größe 54 kommen kann.

Einige der zwischen die Rezepturen geschalteten Unterweisungen greifen den Beschriftungen der jüngst entstandenen C-Print-Serie vor, in welcher Wurm das Bild des faulen, seine Lebens- und Arbeitszeit sinnlos verplempernden Künstlers karikierend an der eigenen Person vorführt und der Allgemeinheit zur Nachahmung empfiehlt.

Den Kernstock des Gezeigten bilden die (auch in der Galerie CC gezeigten) getreu den wörtlichen wie zeichnerischen Instruktionen ausgeführten "one-minute-sculptures". Sie verlangen vom posierend Verrenkten bzw. vom Arrangeur der vorgezeichneten Gegenstandswelt nicht selten einiges an artistischer Geschicklichkeit. Skulptur erweist sich als fotografisch dokumentierte Handlungsform.

Den vorprogrammierten Höhepunkt stellt die zur Nachahmung bereitgestellte Plattform plus Aktionsinventar dar. Für die Gegenleistung eines Euro kann sich der Besucher mittels Polaroidkamera selbst als einminütige Skulptur verewigen. Legt er weitere 100 Euro drauf und schickt das Foto an den Künstler, erhält er es signiert retourniert.

Die vom Kurator Peter Weibl sortierte, über die Kunst des 20. Jahrhunderts gebreitete Historie sollte übrigens niemanden abschrecken: Berichtet wird darin die Entwicklung von der Skulptur zum Objekt und weiter zur Handlung. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 04.02. 2002)
"Fat Survival"
Graz: Neue Galerie, Sackstraße 16
bis 31. März

und: Galerie CC, Landhausgasse 10
bis 15. Februar.