Washington/Berlin - Embryonale Stammzellen könnten ein Mittel sein, die Organabstoßung nach Transplantationen zu unterdrücken. Das legen die Ergebnisse von amerikanischen und deutschen Wissenschaftern nahe, die in der neuesten Ausgabe von "Nature Medicine" veröffentlicht werden. Die Forscher, unter ihnen Fred Fändrich von der Abteilung für Allgemeine und Thoraxchirurgie der Universität Kiel, erreichten bei 70 bis 80 Prozent der Tiere eine solche Immuntoleranz. "Eine der gefürchtetsten Komplikationen in der Transplantationsmedizin ist die Abstoßung des verpflanzten Organs durch das Immunsystem des Empfängers. Medikamente, die dafür sorgen, dass der Empfänger das Spenderorgan toleriert und nicht abstößt, müssen ein Leben lang eingenommen werden und können langfristig Nebenwirkungen haben. Wissenschafter und Kliniker versuchen deshalb neue Strategien zu entwickeln, um die Toleranz des Immunsystems gegenüber einem Spenderorgan zu erhöhen und eine Abstoßung zu verhindern. So ist es mit Blutstammzellen in einigen Tierversuchen gelungen, Toleranz zu erzielen", schrieb das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) am Donnerstag in einer Aussendung. In der klinischen Anwendung allerdings hätte sich dieser Ansatz zur Auslösung von Immuntoleranz laut Univ.-Prof. Fred Fändrich nicht bewährt, denn es traten verschiedene Abstoßungsreaktionen auf. Fändrich allerdings hat jetzt in Zusammenarbeit mit Forschern des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch sowie der Universität von Iowa (USA) bei Laborratten Toleranz mit embryonalen Stammzellen von Ratten erzielen können. Noch keine genaue Erklärung Die Forschungsarbeit von Fändrich und Dr. Michael Bader sowie Dr. Bert Binas (beide MDC) hat jetzt das renommierte Fachblatt Nature Medicine (Vol. 8, Nr. 2, 2002, pp. 171-178) veröffentlicht. Noch haben die Wissenschafter nicht genau klären können, wie die Abstoßung durch das Immunsystem der Tiere verhindert wird. Sie sehen aber in dieser Methode einen vielversprechenden Ansatz, künftig Toleranz bei Organtransplantationen zu erzeugen. Die Wissenschafter haben Stammzellen von so genannten Wistar-Kyoto-Ratten auf Laborratten eines anderen Stamms (DA) übertragen. Das Immunsystem der DA-Tiere stieß die übertragenen Stammzellen nicht ab. Nach sieben Tagen pflanzten die Forscher den Tieren, die zuvor die embryonalen Rattenstammzellen erhalten hatten, ein Herz in die Bauchhöhle ein, das ebenfalls von Wistar-Kyoto-Ratten stammte. Bei rund 70 bis 80 Prozent der Tiere schlugen die transplantierten Herzen nach Aussage von Fändrich länger als 100 Tage, ohne dass Abstoßungsreaktionen beobachtet wurden. Beide Transplantate - sowohl die embryonalen Stammzellen als auch die Herzen - stammen von ein und demselben Rattenstamm, den Wistar-Kyoto-Ratten, sie sind also immunologisch ident. Weshalb aber das Immunsystem der Organempfängerratten weder die embryonalen Stammzellen noch das transplantierte Herz abgestoßen haben, wird, so die Wissenschafter, nicht völlig verstanden. Protein mitentscheidend Mit entscheidend ist bei diesem Prozess jedoch nach Auffassung der Forscher ein Protein, das sie auf der Oberfläche der von ihnen eingesetzten embryonalen Rattenstammzellen nachweisen konnten. Dieses Protein, in der Fachsprache Fas ligand (FasL/CD95) genannt, befindet sich normalerweise auf der Oberfläche bestimmter Immunzellen, den aktivierten T-Zellen und Killerzellen. Es spielt eine Schlüsselrolle bei der Immunantwort. Die Forscher weisen zugleich darauf hin, dass bei diesem Ansatz das umstrittene "therapeutische Klonen" entfallen könnte, das bisher für zukünftige Therapien mit Zellpräparaten aus menschlichen embryonalen Stammzellen für notwendig erachtet werde. Eine Abstoßung dieser Implantate könnte, so die Forscher weiter, durch vorherige Injektion undifferenzierter embryonaler Stammzellen verhindert werden. (APA)