Washington - Der amerikanische Fernsehsender CNN hat am Donnerstag ein Video mit Drohungen des Moslem-Extremisten Osama bin Laden ausgestrahlt, die sich direkt gegen die USA richten. Das Video war bereits am 21. Oktober, zwei Wochen nach Beginn der Bombenangriffe der USA gegen die Taliban in Afghanistan, von einem Reporter des in Katar ansässigen privaten arabischen TV-Senders "El Dschasira" aufgenommen worden. Der Sender hatte damals jedoch mit der Begründung auf die Ausstrahlung des Videos verzichtet, die darin enthaltenend Aussagen Bin Ladens, der für die Anschläge vom 11. September in den USA verantwortlich gemacht wird, seien nachrichtenpolitisch wertlos. In dem Interview richtet Bin Laden nicht nur scharfe Angriffe gegen die USA, sondern behauptet auch, "die Schlacht sei in die USA hineingetragen" worden. "Wir werden daran arbeiten, diese Schlacht fortzusetzen, wenn Gott will, bis zum Sieg oder bis wir vor Gott stehen", sagte Bin Laden laut der Video-Aufzeichnung. Auf die Frage, ob die El Kaida-Organisation Bin Ladens hinter den wiederholten Anschlägen mit Milzbrand-Bakterien in den USA stecke, antwortete Bin Laden in dem Interview ausweichend: "Diese Krankheiten sind die Strafe Gottes und eine Antwort auf die Gebete der unterdrückten Mütter im Libanon und in Palästina." "Terror-Vorwurf unbegründet" Bin Laden schien in den Interview auch die Verantwortung für die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon vom 11. September zurückzuweisen. "Amerika hat wiederholt Vorwürfe gegen uns und viele Moslems in der Welt erhoben. Sein Vorwurf, wir führten Akte des Terrorismus aus, ist unbegründet." Das Interview fand vor dem Sturz der radikal-islamischen Taliban-Regierung Afghanistans an unbekanntem Ort statt. CNN bestand jetzt auf der Ausstrahlung trotz scharfer Proteste der Sendeleitung von "Al Jazeera". Dort hieß es, das Interview habe nicht den Standards des Senders entsprochen und sei deshalb nicht gesendet worden. CNN sei auf inoffiziellem Weg an das Video gelangt, und die Ausstrahlung durch CNN sei illegal. Deshalb werde "Al Jazeera" seine Beziehungen zu CNN aufkündigen. Weitere Videos vorhanden? CNN erklärte, die Existenz des Videos sei US-Regierung und Geheimdienstkreisen bereits kurz nach dessen Entstehung bekannt gewesen. Die Regierung in Washington habe eine Kopie, und der britische Premierminister Tony Blair habe in einer Rede vor dem Parlament im November daraus zitiert. Der Nachrichtenchef von CNN, Eason Jordan, erklärte, die Existenz des unveröffentlichten Videos werfe einige Fragen auf. So müsse der Sender aus Katar erklären, warum das Band nie gezeigt worden sei, warum Al Jazeera dessen Existenz zunächst geleugnet habe und ob der Sender weitere unveröffentlichte Videos habe. Wo sich Bin Laden derzeit aufhält, sollte er noch am Leben sein, ist unbekannt. Wochenlang fahndeten US-Spezialeinheiten ohne erkennbaren Erfolg nach Bin Laden und dem Taliban-Chef Mullah Mohammed Omar, dem die USA unter anderem vorwarfen, Bin Laden Gastrecht gewährt und damit den internationalen Terrorismus unterstützt zu haben. (APA/Reuters/AP)