EU
Für Verheugen ist "Stunde der Wahrheit" gekommen
Erweiterung ein Bekenntnis zu Solidarität - Nettokosten für alte EU-Länder 0,08 Prozent des BIP
Brüssel - "Die Stunde der Wahrheit ist gekommen" sagte
EU-Kommissar Günter Verheugen heute Mittwoch bei der Vorstellung des
Finanzierungspakets für die EU-Erweiterung vor dem EU-Parlament. Nun
lägen die Zahlen am Tisch, die Mitgliedsländer müssten sich zu
Solidarität bekennen und klären, ob sie die Erweiterung finanzieren
und die Verhandlungen abschließen können und wollen. Der Ansatz der EU-Kommission reflektiere "das mögliche und
erwünschte Ergebnis" der Erweiterungsverhandlungen und sei keine
einseitige Verhandlungsposition. Der Spielraum sei "fast völlig
ausgeschöpft", so Verheugen. Er rechne damit, dass die
Kandidatenländer mehr verlangen und die Mitgliedsländer weniger
zahlen wollten, gehe aber davon aus, dass die Position der
EU-Kommission in der Mitte liege.
Über drei Jahre von 2004 bis 2006 sieht die EU-Kommission 40 Mrd.
Euro an Zahlungsverpflichtungen beziehungsweise 28 Mrd. Euro an
tatsächlichen Zahlungen vor. Dem müsse man jährlich 5 bis 5,6 Mrd.
Euro an EU-Beiträgen der neuen Mitglieder gegenüberstellen, so dass
die zehn Staaten 2005 nur 5 Mrd. und 2006 6,5 Mrd. Euro netto
erhalten werden. Das seien gerade einmal 0,08 Prozent des BIP der
derzeitigen Mitgliedsländer, rechnete Verheugen vor.
Im Jahr 2004 würden die Kandidatenländer gleich viel einzahlen wie
sie aus dem EU-Haushalt zurück erhalten. Da sie zugleich über zwei
Mrd. Euro an Vorbeitrittshilfen verlieren werden, würde sich ihre
Haushaltsposition im Vergleich zu jetzt verschlechtern, was nicht
akzeptabel sei, so Verheugen. Am Ende der Beitrittsverhandlungen
müsse man daher über einen pauschalen Rabatt für die Kandidatenländer
für das Jahr 2004 verhandeln.
Die EU-Kommission habe sich an die Limits der Einigung der Staats-
und Regierungschefs 1999 in Berlin gehalten. Sie habe aber
Direktzahlungen für die Bauern vorgeschlagen, obwohl diese in Berlin
nicht vorgesehen waren. Sie sollen 2004 mit 25 Prozent des EU-Niveaus
einsetzen und bis 2013 auf hundert Prozent ansteigen. Ohne die klare
Aussicht auf Teilnahme an diesem Instrument wäre aber die Erweiterung
zumindest in Polen gescheitert, so Verheugen. Zugleich warnte er
Polen, von Anfang an die 100-prozentige Auszahlung von
Direktzahlungen zu verlangen. Das würde die reformbedürftige
Agrarstruktur in Polen "einzementieren" und den Bauern höhere
Einkommen bescheren als "allen anderen". Außerdem seien
Übergangsregeln "etwas völlig normales".
Der Ansatz beinhalte keine Angaben für die Jahre nach 2006, hob
Verheugen hervor. Einige EU-Abgeordnete kritisierten in einer ersten
Reaktion, dass man sich schon jetzt Gedanken über die weitere
Entwicklung danach machen müsse. Verheugen erinnerte auch daran, dass
16 Mrd. Euro an Zahlungsverplichtungen aus dem Jahren 2002 und 2003
"ersatzlos entfallen", weil in diesen Jahren noch keine neuen
Mitgliedsländer beigetreten seien.
"Ziemlich wenig, was wir da ausgeben"
Er habe "Sympathie für die, die sagen, das ist ziemlich wenig, was
wir da ausgeben", sagte EU-Kommissar Günter Verheugen am Mittwoch im
EU-Parlament bei der Vorstellung des Finanzpakets für die
EU-Erweiterung. Aber daran könnten weder die EU-Kommission noch das
EU-Parlament etwas ändern. Es mache keinen Sinn zu klagen, solange
die Mitgliedsländer nicht bereit seien, mehr Geld bereit zu stellen.
Zugleich betonte Verheugen, dass es "völlig unzulässig" sei, die
Erweiterung als "buchhalterisches Projekt" zu sehen. Im Vergleich zur
politischen und wirtschaftlichen Stabilität, die die Union damit in
Osteuropa erreiche, seien die nötigen Gelder zu vernachlässigen.
Würde es Unruhe oder Bürgerkrieg geben, würden "die Milliarden nur so
fließen" um wieder Ordnung herzustellen. (APA)