Streaming & TV
Betont nüchterner Auftakt für die Fernseh-Digitalisierung
Harte Überzeugungsarbeit am Konsumenten nötig
Großteils von Realismus geprägt war am Dienstag die
Auftaktveranstaltung der "Digitalen Plattform Austria". Aufgabe der
neu konstituierten Arbeitsgemeinschaft ist es, ein Konzept für die
Digitalisierung der österreichischen TV-Landschaft zu entwickeln.
Statt in Technologie-Euphorie übten sich die Teilnehmer an den
Expertengesprächen in Wien im nüchternen Erörtern der Perspektiven
für digitales, mit Antenne empfangbares Fernsehen.Noch viel zu tun
"Digital Video Broadcasting", kurz DVB-T, lautet das Zauberwort.
Bis aber die Konsumenten von der Attraktion der neuen Technologie
überzeugt sind, gibt es noch viel zu tun, so eine Schlussfolgerung.
Bereits jetzt wende der "durchschnittliche" Österreicher 6,8 Stunden
pro Tag für die Mediennutzung auf, führte die Medienforscherin Petra
Golja (Fessel &GfK) aus. Neue digitale Angebote müssten daher auf
Qualität statt auf Quantität setzen: "Der Mensch hat einfach nicht
mehr Zeit." Den Konsumenten müsse vermittelt werden, welchen Mehrwert
sie durch den Umstieg auf digitales Fernsehen erhalten würden. Golja
zeigte sich dabei "ein wenig pessimistisch", verwies zugleich aber
auf die hohe Internet-Akzeptanz in Österreich. "Die Österreicher sind
bereit, neue Technologien anzunehmen."
"Die Publikumsakzeptanz muss im Zentrum stehen", meinte auch Karl
Pachner vom ORF Business Development. "Inhalt und zusätzliche
Angebote werden Spiel entscheidend sein." Ein ORF-Trailer
illustrierte, wie die digitale Fernsehzukunft auf dem Küniglberg
aussehen könnte: Interaktivität wird großgeschrieben, "die
Mattscheibe wird zum Mitmach-Medium".
Pachner verwies aber auch auf die Notwendigkeit eines gemeinsamen
Standards für die Empfangsgeräte. Denn um digitales Fernsehen
empfangen zu können, wird neben dem TV-Gerät noch ein Decoder
benötigt. In Deutschland haben sich die großen Inhalteanbieter
vergangenes Jahr auf die so genannte Multimedia Home Plattform (MHP)
als Standard geeinigt, entsprechende "Boxen" sind aber noch längst
nicht in ausreichender Stückzahl verfügbar. Um den Konsumenten eine
Auswahl an Empfangsgeräten - bei realistischer Preisgestaltung -
bieten zu können, seien die Industrie und der Einzelhandel gefordert,
war man sich einig.
Komplexe frequenztechnische Fragen
Bei aller Kundennähe gibt es aber auch noch komplexe
frequenztechnische Fragen zu klären. Die LS Telcom hat im Auftrag der
Rundfunk und Telekom Regulierungs GmbH festgestellt, dass
grundsätzlich ein bis zwei Kanäle pro Ballungsraum für DVB-T zur
Verfügung stehen. Dies würde vier bis acht digitale Programme
ermöglichen. Doch die müssen erst - auch international - koordiniert
werden, was sich mitunter schwierig gestalten kann, wie Franz Prull,
Frequenzexperte und stellvertretender Leiter der Medienbehörde
KommAustria zu bedenken gab. "Wir müssen uns die Frequenzausstattung
hart erarbeiten."
Probebetrieb muss bis Ende des kommenden Jahres ermöglicht werden
Wann aber soll die schöne, neue Fernsehzukunft wirklich beginnen?
Im Privatfernseh-Gesetz ist festgehalten, dass ein Probebetrieb bis
zum Ende des kommenden Jahres ermöglicht werden muss. Die
Voraussetzungen dafür soll die Digitale Plattform Austria schaffen.
Gerade auf Grund der schwierigen Frequenzsituation sei ein "echter
Durchbruch" erst 2007 oder 2008 möglich, so die Einschätzung Kathrin
Nothaft vom Beratungsunternehmen Telebild. 2005/2006 sollen die
Frequenzen auf einer internationalen Konferenz koordiniert werden.
"Komplett digital" könnte Fernsehen "irgendwann zwischen 2010 und
2020" sein. Zeit genug also, den Konsumenten die Vorteile der neuen
Technologie und die nötigen Empfangsgeräte näher zu bringen. (APA)