Zu den absolut uncoolen Ereignissen dieses Wochenendes gehörte die Dauerberieselung mit blauen Politikern, veranstaltet von den Eventmanagern aus der Gehirnwäscheabteilung des ORF. Im Vergleich dazu war die Auseinandersetzung zwischen Kreationisten und Darwinisten in der Sonntag-Nummer des Familienblattes ein echtes, wenn auch nicht immer nur erbauliches Bildungserlebnis. Soll noch einer behaupten, der Herausgeber lasse keine Meinungsvielfalt zu, wenn es um wirklich wichtige Dinge des Lebens geht!

Dass in einem Kräuterpfarrer nur ein Kreationist stecken kann, ist ebenso klar, wie dass ein Cato nie sein eigenes Wohl, sondern ohne jeden Eigennutz stets nur das der Res publica im Auge haben kann. Seine Schuld ist es nicht, wenn das so oft zusammenfällt. Jedenfalls schlug der Kräuterpfarrer unter dem Titel "Geruch - Geschmack" eine Brücke vom Grobstofflichen zum Geistigen, was ihm naturgemäß leichter fällt als Cato die Brücke von Haider zu Schüssel. Unserem Schöpfer haben wir es zu verdanken: Dass er unser Antlitz so praktisch zu gestalten verstand. Mit den Augen erspähen wir Speise und Trank. Bevor diese aber die Pforte des Mundes passieren, waltet die Nase als Prüfstelle und wacht darüber, ob nicht Unerwünschtes in unser intimstes Ich eintreten möchte.

Der Schöpfer wird gewiss ebenso erfreut sein wie Stadtrat Faymann, dass er in der Krone besser wegkommt als der Bundeskanzler, dessen Koalition bisher so gut wie nichts auch nur annähernd so praktisch zu gestalten verstand, dass es einem schöpferischen Vergleich standhielte. Hingegen fühlte sich die Darwinistin des Blattes von der Frage, ob nicht Unerwünschtes in unser intimstes Ich eintreten möchte, aus gegebenem Anlass zu der Feststellung gedrängt: Die Penisse unserer Spezies sind nicht gerade ein Augenschmaus.

Diese für sensible Männerseelen leicht kränkende Feststellung von Frau Dr. Gerti Senger zu lesen wird auch für den Kardinal, der sich nebenan unter dem Titel "So fing es an" Gedanken zum Sonntagsevangelium machte, kein Augenschmaus gewesen sein. Kann für ihn doch kein Zweifel daran bestehen, dass auch für diese Prüfstelle gilt: Unserem Schöpfer haben wir es zu verdanken; und dass Zweifel an dessen kreativ-ästhetischer Kompetenz höllischer Frevel sind. Als kleiner Trost war Sonntag nach annähernd zwei Millionen Jahren männlichen Luftanhaltens zu erfahren, dass trotz creatio ex nihilo nichts mehr so ist, wie es anfing: Männer dürfen aufatmen, denn evolutionsgeschichtlich hat der Penis als Imponier- und Schmuckorgan ausgedient . . .

Wer hat da vom Baum der Erkenntnis genascht? Zurzeit fragen sich Evolutionsforscher, warum Penisse so und nicht anders aussehen. Auf deren Antwort wäre jeder U-Bahn-Fahrer gekommen: Die Dominanz-These, derzufolge der Liebespfeil als Drohorgan gesehen wird, mit dem Rivalen eingeschüchtert werden sollen, ist heute nicht mehr haltbar. Das gilt sogar außerhalb öffentlicher Verkehrsmittel: Der dominante Gorilla schüchtert rangniedrigere Männchen nicht mit seinem wuzzi-wuzzi-kleinen 2,5-Zentimeter-Penis ein, sondern mit Muskelkraft.

Gegen die optische Präsentation der Wuzzi-Wuzzis sprechen aber nicht nur die Beförderungsbedingungen der Wiener und anderer Verkehrsbetriebe, sondern eben auch die geringe Eignung als Augenschmaus: Sie sind nicht knallrot, wie die der grünen Meerkatzen, und haben auch nicht gelbe Spitzen wie die Penisse einer Mandrillart. Der ruhende Männerpenis ist blass und schrumpelig, eigentlich ein Häufchen Elend.

Deswegen sollen Männer aufatmen? Und unserem Schöpfer haben wir es zu verdanken, dass er eine solche Evolution zugelassen hat? Dass nur ein paar Seiten hinter den salbungsvollen Worten des Kardinals eine manichäische Irrlehre sich ausbreiten kann, in der ein nicht unwesentlicher Teil SEINER Schöpfung als ein Häufchen Elend abgetan wird, würde in jedem anderen Blatt der Welt als himmelschreiender Skandal empfunden werden. Ein ernstes Hirtenwort Christiani aus St. Pölten wäre jedenfalls überfällig.

Aber immerhin wissen wir jetzt, wieso religiöser Zweifel unter Männern so viel häufiger anzutreffen ist als unter grünen Meerkatern. Die können leicht glauben, ohne sich die Sinnfrage zu stellen - ganz anders beim Homo sapiens. Würde sich der Penis 2002 die Sinnfrage stellen, lautete die Antwort der Evolutionsforscher, die er gar nicht gefragt hat: "Kopulatorische Partnerwerbung". Wer weiß, was die vor drei Jahren gesagt hätten, hätte sich der Penis 1999 die Sinnfrage gestellt.

Ist der Penis 2002 auch nur ein Häufchen Elend, weder ein optischer Schmuck und auch kein Drohinstrument, so hat er doch Persönlichkeit und Pflichtgefühl. Denn wurscht ist es dem herkömmlichen Penis auch nicht, mit wie viel persönlichem Vergnügen er seine Funktion als Gentransporter erfüllt . . .

Unserem Schöpfer haben wir es zu verdanken. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 29. Jänner 2002)