Nairobi - "In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so etwas Entsetzliches und Erschütterndes gesehen." Das sagt einer, der schon viel gesehen hat: Der deutsche Menschenrechtler und Abenteurer Rüdiger Nehberg spricht über die schockierenden Filmdokumente, die er im vergangenen Jahr über die Genitalverstümmelung von Mädchen in Äthiopien und Dschibuti gesammelt hat. Sie und das Argument im Gepäck, dass das grausame Ritual jeder Religion und Menschenwürde widerspricht, zieht der 66-Jährige derzeit mit einer Kamel-Karawane in den Kampf gegen die Frauenbeschneidung. Auf einer Konferenz in der äthiopischen Danakil-Wüste will Nehberg an diesem Mittwoch (30. Jänner) religiöse und politische Führer Äthiopiens auf die Seite der Frauen bringen. Alle 15 Sekunden eine weitere Verstümmelung "In dem abgelegenen Gebiet des Afar-Volkes werden Mädchen jeden Alters verstümmelt - sogar vier Wochen alte Säuglinge", weiß Nehberg. Er selbst kam durch die Lektüre des Buches "Wüstenblume" von der aus Somalia stammenden Waris Dirie auf das Thema. Das heutige Topmodel wurde im Alter von fünf Jahren selbst beschnitten. Inzwischen kämpft sie als UN-Sonderbotschafterin gegen das grausame Ritual, das nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen alle 15 Sekunden ein Mädchen oder eine Frau auf der Welt über sich ergehen lassen muss. Menschenunwürdige Rituale und Konsequenzen Mit unsterilen Rasierklingen, Messern oder Glasscherben werden ihnen ohne Betäubung die Klitoris und - je nach Stamm - auch die Schamlippen und ein Teil der Vagina entfernt. Viele sterben unmittelbar an den Entzündungen oder dem Blutverlust. Anderen verursacht der Schnitt, der ihnen das sexuelle Verlangen raubt, lebenslange Qualen. Durch die Vernarbungen haben die Beschnittenen Rückstau-Probleme bei der Menstruation und beim Urinieren oder Schwierigkeiten bei der Geburt ihrer Kinder. Viele Mädchen werden nach der Metzelei, die zum Teil auch mit Akaziendornen ausgeführt wird, nur bis auf ein reiskorngroßes Loch wieder zugenäht. "In der Hochzeitsnacht schlitzt der Mann die zugenähte Frau dann mit seinem Stammesschwert auf", sagt Nehberg. Dabei würden die Frauen nicht selten so verletzt, dass sie hinterher verstoßen würden. Fälschliche Berufung auf den Koran Während Frauenrechtlerinnen diese Barbarei als Macht- und Kontrollmittel der Männer sowie Grundlage ihrer Poligamie benannt haben, weisen viele Verfechter der Beschneidung fälschlicherweise auf den Islam. Hochburgen der Genitalverstümmelung sind vor allem islamisch geprägte Regionen. Nehberg, der über die Menschenrechtsorganisation Target den Verein Pro-Islamische Allianz gegründet hat, will "mit dem falschen Glauben aufräumen, dass, wie so oft behauptet, der Koran oder die Überlieferungen Mohammeds die Aufforderung zu Beschneidung enthalten". Hoffnung auf Wüstenkonferenz Die Vorbereitungen für die Wüstenkonferenz hat er daher mit dem Zentralrat der Muslime in Deutschland und dem 83-Jahre alten äthiopischen Sultan Ali Mirah Hanfary, einem Gegner der Genitalverstümmelung, getroffen. 58 religiöse und politische Führer des Afar-Volkes sowie 30 Frauen haben ihre Teilnahme bereits zugesagt. "Einige dieser Gäste legen dafür Kamelmärsche von zehn Tagen zurück", sagt Nehberg. Er bereitet derweil Hyänen-sichere Lager und Kamelstellplätze und die Lebensmittelversorgung vor. Ein Kamerateam des ZDF soll dabei sein, wenn der Norddeutsche den Wüstensand am Horn von Afrika aufwirbelt. Sein Ziel: "Der gemeinsame Schwur, Frauenverstümmelung zur Gottesanmaßung und Diskriminierung des Islam zu erklären und bei Allah zu geloben, den Brauch sofort zu beenden." (APA)