Luxemburg/Wien - "Für uns ist es vorbei", sagt Ion Cuzman. Er und seine Kollegen sitzen fest. Die Lkw sind in Reih und Glied abgestellt. Die Fahrer, die Hände in den Hosentaschen, stehen davor. Wie es weitergehen soll, weiß keiner am Parkplatz des Zollzentrums Hesperanges in Luxemburg. Sicher ist für die gestrandeten Lenker nur: Es gibt keine Aufträge mehr. Und solange die Staatsanwaltschaft München II alle Konten des niederösterreichischen Frächterimperiums Kralowetz gesperrt hält, gibt es auch kein Geld - weder für ausstehende Löhne, noch für Treibstoff oder Straßenmaut.Cuzman ist Rumäne. Und einer jener 1500 Fahrer aus Osteuropa, die von dem Fuhrunternehmen zu miserablen Konditionen beschäftigt worden sein sollen. Allein: Fünf Euro (rund 69 Schilling) die Stunde - das war ein "interessantes, ja gutes Angebot" für Cuzman. Damit habe er seiner Frau und den drei Kindern in Rumänien einen gewissen Wohlstand sichern können, erzählte er dem Luxemburger Tageblatt. Tatbestand Ausbeutung Für die österreichischen und deutschen Behörden dagegen bedeutet Cuzmans - mutmaßlich illegale - Beschäftigung "ausbeuterische Schleuserei". Außerdem sollen die Firmen der Kralowetz-Gruppe Steuern und Sozialabgaben in Euro-Milliardenhöhe unterschlagen haben. Vergangenen Dienstag wurden bei einer Polizeiaktion in acht europäischen Ländern zwei Dutzend Unternehmen aus dem Umkreis der Frächtergruppe durchsucht. Tonnen von Unterlagen wurden dabei beschlagnahmt. Karl Kralowetz, laut Ermittlern der "Kopf" hinter den mutmaßlichen kriminellen Machenschaften, wurde in Luxemburg festgenommen. Ein leitender Angestellter der Firmengruppe sitzt in Deutschland in Haft. Rainer Kralowetz, einer der drei Brüder des Hauptverdächtigen, bestreitet indes jede Malversation: Die Geschehnisse seien für ihn "unvorstellbar". Die Unternehmen der Kralowetz-Gruppe hätten niemals Fahrer illegal beschäftigt. 2500 Ordner "Wir sind dabei, die Aussagen der Chauffeure mit den Buchhaltungsunterlagen zu vergleichen", erklärt unterdessen Major Karl Kuhn von der Kriminalabteilung der niederösterreichischen Gendarmerie. 2500 Aktenordner habe man beschlagnahmt. Deren Auswertung werde sicher noch Wochen dauern, so der Ermittler am Montag zum STANDARD. Wochen will Ion Cuzman in Luxemburg nicht zuwarten. Er hat noch 220 Euro in der Tasche. Die wird er so schnell es geht in ein Zugticket nach Rumänien investieren. Viele seiner Kollegen - 150 stehen mit ihren Lkw bereits auf dem Parkplatz des Zollzentrums, weitere 100 wurden dort noch erwartet - haben keinerlei Reserven mehr. Sie werden vom Roten Kreuz und der Luxemburger Transportgewerkschaft betreut. (DER STANDARD, Print, 29.1.2002)