Argentinien kommt nicht zur Ruhe. Am Wochenende gingen wieder mehrere Zehntausend Menschen im ganzen Land auf die Straße, um gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung zu protestieren. Mit ohrenbetäubendem Topfgeklapper, Trommeln und Sprechchören machten die Bürger ihrem Unmut Luft.

Angeprangert wurden vor allem "korrupte Politiker". "Sie müssen für dieses Desaster bezahlen, mit ihrem Vermögen oder mit ihrer Freiheit", sagte ein aufgebrachter Rentner, der wegen der Bargeldbeschränkungen nicht über sein Sparkonto verfügen kann.

Der Zorn richtete sich auch gegen die Banken, gegen die als unfähig empfundenen Obersten Richter, aber auch gegen Expräsident Carlos Menem und Exwirtschaftsminister Domingo Cavallo, die für das Debakel verantwortlich gemacht werden.

In der Hauptstadt kam es in der Nacht von Freitag auf Samstag zu Zusammenstößen, als die Polizei mit Tränen- gas, Gummigeschoßen und Schlagstöcken gegen Steine werfende Demonstranten vorging. Mindestens 33 Menschen wurden verletzt und 21 festgenommen.


Zwanzig Prozent Arbeitslosigkeit

Seit Ende Dezember kommt es in Argentinien bei Protesten gegen die Regierung zu Plünderungen und Vandalismus. Die Bürgerrebellion hat bereits zum Rücktritt von zwei Präsidenten geführt. Auch Interimspräsident Duhalde gerät zunehmend unter Druck. Insbesondere in den ärmeren Provinzen herrscht Knappheit bei Lebensmitteln und Medikamenten, die Produktion und der Einzelhandel sind praktisch zum Erliegen gekommen. Experten gehen davon aus, dass Argentiniens Wirtschaft nach 43 Monaten Rezession auch in diesem Jahr kaum wachsen wird, und dass die Arbeitslosigkeit auf mehr als 20 Prozent ansteigen wird. Damit dürfte auch die Armut zunehmen, die bereits mehr als ein Drittel der 36 Millionen Argentinier betrifft.

Nach Ansicht der Dresdner Bank Lateinamerika ist das Überleben der Regierung Duhalde nicht gesichert. Das Klima sei nicht günstig für eine kohärente Wirtschaftspolitik, schrieb die Bank in ihrer jüngsten Analyse. Der Internationale Währungsfonds, die USA und die EU haben ihre Unterstützung von einem "schlüssigen Wirtschaftsplan" abhängig gemacht. (STANDARD-Mitarbeiterin Sandra Weiss aus Montevideo, Der Standard, Printausgabe, 28.01.02)