Berlin/Frankfurt - Der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Christian Noyer, hat sich über die Stärke des Dollar gegenüber dem Euro äußert beunruhigt gezeigt. "Es ist wahr, dass wir gegenwärtig sehr besorgt über den starken Dollar sind, weil dies eine potenzielle Gefahr für ganze Sektoren der amerikanischen Industrie ist", sagte Noyer in Gesprächen mit Fondsmanagern in Paris. Dies berichtet die deutsche Börsen-Zeitung. Bei den Gesprächen habe Noyer die Dollarstärke vor allem als Risiko für die Auto- und Stahlindustrie in den USA betrachtet, heißt es.

Der EZB-Vize habe davor gewarnt, dass dadurch protektionistische Maßnahmen ausgelöst werden könnten. Für die EZB sei ein stabiler Wechselkurs wichtig, da es ihr in erster Linie um dessen Wirkung auf die Preisstabilität im Euroraum gehe, so Noyer. Ob die EZB die Leitzinsen ein weiteres Mal senken werde, hänge vor allem vom Verhalten der Tarifparteien und vom Tempo der Konjunkturerholung ab.

Den Grund für die derzeitige Euroschwäche an den Devisenmärkten sieht der deutsche Bundesbankpräsident Ernst Welteke in den unterschiedlichen wirtschaftlichen Wachstumserwartungen für Europa und die USA. Der amerikanischen Wirtschaft trauten Analysten eine schnellere Erholung zu als der europäischen, so Welteke. Die Einführung des Eurobargeldes habe mit der Schwäche des Wechselkurses aber nichts zu tun, betonte er.

"Wenn die Belebung des Wachstums länger dauert, und wenn die Produzentenpreise nicht die Inflation fördern, dann könnte das ein Fall für eine leichte Senkung der Leitzinsen sein", äußerte Noyer. Er habe zugleich darauf aufmerksam gemacht, dass Zentralbanken bei zu aggressiven Zinssenkungen einen Anstieg der Langfristzinsen befürchten würden.


Inflationsgefahr gering

Welteke schätzt die Gefahr einer Inflation in Deutschland als gering ein: "In einer Situation, in der wir eine deutliche Wachstumsschwäche haben, ist die Gefahr, dass wir Inflationspotenzial aufbauen, sehr gering." Der Preisanstieg im Jänner sei die Folge einer Reihe von Steuererhöhungen und wetterbedingten Einflüssen. Im Jahresverlauf werde sich das wieder ausgleichen, meinte er.

Erfreut zeigte sich Welteke über die Akzeptanz der neuen Eurowährung auch im EU-Ausland. Der Euro werde bereits sogar in der Schweiz akzeptiert. Allerdings werde es eine Zeit dauern, so der Bundesbankchef, ehe sich die europäische Gemeinschaftswährung gegenüber dem US-Dollar durchsetzen könne. (AP, dpa, Reuters, Der Standard, Printausgabe, 28.01.02)