Einem kunstsammelnden Konzernvorstand wird bei einer Party der Künstler Georg Baselitz vorgestellt. Baselitz fragt ihn gleich, ob er ein Bild von ihm besitze. Der Sammler verneint. "Dann spreche ich auch nicht mit Ihnen" sagt Baselitz. Der Künstler darf tun, was sonst niemand sich traut. Der sonst von allen hofierte Konzernchef ist beeindruckt, kauft ein Baselitz-Bild und erzählt diese Schnurre auch noch gern weiter. Eine der unzähligen Geschichten und Anekdoten rund um den Komplex Kunst, Wirtschaft und Markt. Niedergeschrieben ist sie im Katalog zur Ausstellung Art & Economy, die ab 28. Februar Siemens (Siemens Arts Progam) gemeinsam mit den Deichtorhallen Hamburg ausrichtet und sämtliche Facetten des Beziehungsgeflechts und der Abhängigkeiten von Kunst und Unternehmen ausleuchten wird - unter anderem anhand von 50 Werken von 32 internationalen Künstlerinnen und Künstlern. Baselitz Handeln scheint Kalkül zu sein, den Spitzenmanager in seiner Meinung um die "unabhängige Kunst" zu bestätigen. Die US-Autorin Susan Hapgood, die sich in der zur Ausstellung im Cantz-Verlag erscheinenden Publikation den "finanziellen Abhängigkeiten in der zeitgenössischen Kunst" widmet, relativiert die sich von allen materiellen Dingen oft frei wähnenden Kunstschaffenden. Die wechselseitigen kommerziellen Abhängigkeiten von Künstlern, Sammlern, Museen und Galeristen könnte man von einer "höheren Warte" aus auch als etwas sehr "Kooperatives" bezeichnen: "Man hört immer davon", schreibt Hapgood, "dass Galeristen beträchtliche Summen hinblättern, um für die Präsentationen ihrer Künstler auf der Biennale von Venedig, die angeblich von staatlicher Seite finanziert wird, Etatlücken zu schließen." Bloß Symbiose? Ist hier bloß wieder Symbiose am Werk, fragt die Autorin: "Galeristen, die für ein geselliges Beisammensein ihrer Kunden im Museumsrahmen zahlen? Oder ein Finanzierungsmuster, das Museen dazu verleiten könne, Künstler bestimmter Galerien anderen vorzuziehen?" Auch Schenkungen von Privatsammlern wie Unternehmen können die Ankaufs- und Ausstellungspolitik von Museen beeinflussen. So hinterfragte etwa die New York Times die Wege, wie Kunst - u. a. auch Armani-Sakkos - ins Museum gelangt: "Die Öffentlichkeit hatte bisher keine Möglichkeit, zu erfahren, ob eine Ausstellung geliehener Objekte das beste künstlerische Urteil der professionellen Ausstellungsmacher darstellte oder auf Geheiß heimlicher Stifter oder Sponsoren veranstaltet worden war".Indirekt spiegeln und reflektieren viele Kunst/Sponsoring-Projekte der Hamburger Ausstellung genau diese Probleme. "Art Stories" und "Economic Turn" Der Teil "Art Stories" stellt diverse Formen des Sponsoring aus Deutschland, Österreich, Japan, Großbritannien, der Schweiz und den USA vor (u.a. Montblanc-Kunststiftung, museum in progress mit Austrian Airlines, Dresdner Bank AG mit Tobias Rehberger, Migros-Genossenschaftsbund mit Rirkrit Tiravanija). Den eigentlichen künstlerischen Teil bildet die Ausstellungssparte "Economic Turn", eine Wortschöpfung in Anlehnung zum "Cultural Turn", dem sich Unternehmen zu unternehmen verschreiben. General Idea bastelt das Mastercard-Zeichen mit Nudeln auf Leinwand zu einem Tafelbild, das Atelier van Lieshout fertigte AVL-Money für den eigenen Künstler-Freistaat oder Hans-Peter Feldmann porträtiert "eine Firma". Besonders verdienstvoll und in dieser Form als Novität dabei: Die Projektreihe "Wirtschaftsvisionen", in der Künstler mit dem Unternehmen ihrer Wahl ein Projekt durchführen können. Daniel Pflumm etwa kooperiert nicht direkt, sondern filmt Produktionsstraßen eines japanischen Konzerns und fertigt daraus seine rhythmisierten Video-Loops. Eva Grubinger weist in ihrem Beitrag u.a. auf die Tatsache hin, dass jeder Sponsor eine Gegenleistung will und vom Mäzen, wie sich Sponsoren gerne nennen, nicht mehr viel da ist. Die versprochenen Fördergelder, insgesamt 30.000 Mark übergab sie im Herbst den Vertretern der Deutschen Bank und der Siemens AG. am 1. Jänner des Jahres erhielt sie die selbe Summe in Euro zurück (d.h. ihr "Einsatz" plus die Fördergelder), jeweils mit feierlichem Zeremoniell und mit Fotosession begleitet. Grubinger umging das Werk und spulte das Geben- und Nehmen-Spiel auch auf Symbolebene ab. (DER STANDARD Printausgabe, ALBUM, 26./27.1.2002)