Zeit
Nicht der Mossad und Wiesenthal fanden Eichmann
... nach der These eines aktuellen Buchs soll es ein KZ-Überlebender aus Dachau gewesen sein
London - Nicht der israelische Geheimdienst, sondern ein
blinder Überlebender des Konzentrationslagers Dachau hat den
Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann einem Pressebericht zufolge 1960 in
Argentinien aufgespürt. Das Buch mit dem Titel "Wie Peron die Nazi-Verbrecher nach
Argentinien kommen ließ" räumt nach den Worten seines Verfassers Uki Goni
mit dem mehr als 40 Jahre alten "Irrglauben" auf, dass der Mossad mit
Hilfe von Nazi-Jäger Simon Wiesenthal Eichmann in Argentinien
entdeckte. Eichmann, der Leiter des Judenreferats im
Reichssicherheitshauptamt (RSHA) war im Zuge der so genannten
"Endlösung" für die Deportation von Millionen Juden in die
Vernichtungslager verantwortlich, bevor ihm nach dem Zweiten
Weltkrieg die Flucht nach Argentinien gelang.
Die These
Die britische Zeitung "The Guardian" schreibt in ihrer
Freitagsausgabe unter Berufung auf ein neues Buch ihres
Korrespondenten in Buenos Aires, Uki Goni, dass der zwischen 1935 und
1936 in Dachau eingesperrte jüdische Sozialist Lothar Hermann
Eichmann auf die Schliche kam - mit Unterstützung seiner Tochter
Sylvia, die mit Eichmanns ältestem Sohn Klaus befreundet war.
Hermann teilte dem Buch zufolge den Justizbehörden in Frankfurt am
Main brieflich mit, dass Eichmann unter dem Namen Klement in
Argentinien lebte. Generalstaatsanwalt Fritz Bauer habe daraufhin
angesichts der vielen ehemaligen Nazis im deutschen Justizwesen nach
dem Zweiten Weltkrieg direkt den israelischen Mossad eingeschaltet.
Doch zwei nach Buenos Aires entsandte Mossad-Agenten waren nicht
davon überzeugt, dass Klement mit Eichmann identisch war. Hermann
ließ nicht locker und schrieb laut Gonis Recherchen am 17. Oktober
1959 an Tuviah Friedman vom Dokumentationszentrum in Haifa, das
10.000 Dollar Belohnung für Hinweise auf Eichmann ausgesetzt hatte,
um ihm "exakte Einzelheiten" von Klements/Eichmanns argentinischem
Personalausweis mitzuteilen.
Festnahme und Prozess
Der weitere Geschehensverlauf ist bekannt: Ein Mossad-Kommando
nimmt Eichmann im Mai 1960 in San Fernando im Großraum Buenos Aires
fest und schmuggelt ihn zehn Tage später - als Angestellter der
israelischen Fluggesellschaft El Al verkleidet - außer Landes. Wegen
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen das jüdische Volk wird Eichmann
von einem israelischen Gericht im Dezember 1961 zum Tode verurteilt
und ein halbes Jahr später hingerichtet. Für Lothar Hermann
verstreichen noch weitere zehn Jahre, bevor er 1972 seine Belohnung
bekommt. (APA)