Finanzen & Börse
Kompetenzstreit um neue Finanzmarktgesetzgebung besiegelt
Verfassungsausschuss des Europäischen Parlaments und Europäische Kommission finden Kompromiss
Brüssel - Der Kompetenzstreit um eine neue
Finanzmarktgesetzgebung in der Europäischen Union (EU) scheint
beigelegt. Der Verfassungsausschuss des Europäischen Parlaments (EP)
hat mit einem Kompromiss den Weg für eine Einigung mit der
Europäischen Kommission über seine Rolle bei Finanzmarktgesetzen
geebnet. Nach Angaben des EP-Berichterstatters Karl von Wogau stimmte
der Ausschuss des Parlaments mit großer Mehrheit seinem Vorschlag zu.
Damit bestehen gute Aussichten, dass das Parlament bei seiner Sitzung
Mitte Februar die Einigung absegnet. Das Parlament verzichtet darauf, im Gesetzgebungsverfahren die
genau gleichen Rechte wie der Ministerrat zu haben, stellt allerdings
einige Bedingungen, um als Mitgesetzgeber über eine dem Rat
äquivalente Stellung zu verfügen. EU-Binnenmarktkommissar Frits
Bolkestein bezeichnete den Kompromiss nach den Worten seines Sprecher
als "sehr ermutigend".
Die EU-Finanzminister hatten bei ihrem Treffen am Dienstag die
Schaffung eines einheitlichen Marktes für Finanzdienstleistungen als
eine wichtige Voraussetzung für eine größere Wettbewerbsfähigkeit
Europas bezeichnet.
Basis Lamfalussy-Bericht
Basis des neuen Verfahrens ist der so genannte Lamfalussy-Bericht.
Nach einem Vorschlag des früheren belgischen Notenbankchefs sollen
für die Liberalisierung von Finanzdienstleistungen beschleunigte
Gesetzgebungsverfahren gelten. Ministerrat und EP sollen nur noch die
Grundzüge von Gesetzen festlegen, die technischen Detailfragen sollen
dann von Expertengruppen, bestehend aus Vertretern der
Mitgliedstaaten in Zusammenarbeit mit der Kommission entschieden
werden.
Der EP-Ausschuss fordert laut von Wogau insbesondere, dass die von
der Kommission erlassenen Durchführungsbestimmungen einer
"Ausgangskontrolle" durch Parlament und Rat unterliegen. "Das
Parlament will das Recht haben, im Zeitraum von drei Monaten nach
Erlass einer Durchführungsmaßnahme Einwände erheben zu können, um
sicherzustellen, dass sich im Kleingedruckten keine für
Marktteilnehmer und Verbraucher nachteiligen Regelungen befinden",
erläuterte der CDU-Europaabgeordnete am Mittwoch.
Nach vier Jahren ab Inkrafttreten der neuen
Finanzmarktgesetzgebung müsse die Befugnis zum Erlass weiterer
Durchführungsbestimmungen erlischen und gegebenenfalls von Parlament
und Rat erneuert werden. Weiter soll ein "Ausschuss der
Marktteilnehmer" eingerichtet werden, der frühzeitig in die
Beratungen zu den Durchführungsmaßnahmen einbezogen werden soll.
Schließlich, so von Wogau weiter, sollen sämtliche Informationen über
Gesetzesinitiativen und über Tätigkeiten der Ausschüsse, insbesondere
des Ausschusses der Wertpapierregulierungsbehörde, öffentlich
zugänglich sein, auch über Internet. (APA)