Inland
Freispruch für ehemalige Wiener ÖH-Vorsitzende Obermayr
"Kein Amtsmissbrauch" - Kritik von neuer ÖH-Führung
Wien - Angelika Obermayr, bis Juli 2001 ÖH-Vorsitzende an
der Universtität Wien, atmete am Ende ihres Prozesses erleichtert
auf: Die 26-jährige Politikwissenschaften- und Publizistikstudentin
wurde am Freitag nach drei Verhandlungstagen im Wiener Landesgericht
vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs freigesprochen. Der Schöffensenat
(Vorsitz: Karl Fischer) erblickte in dem Umstand, dass Obermayr am
26. Jänner 2000 die Teilnehmer an einer ÖH-Sitzung jedenfalls nicht
namentlich aufgerufen - und möglicherweise auch bewusst leise
gesprochen - hatte, nur eine "geringfügige Verfehlung". "Aber da zu diesem Zeitpunkt keine anderen Fraktionsvertreter mehr
im Saal anwesend waren, war das auch eine Vereinfachung", hieß es in
der Begründung. Indizien, wonach die Vorsitzende wissentlich ihre
Befugnisse missbraucht habe, fand das Gericht nicht: "Daher war
zumindest im Zweifel mit einem Freispruch vorzugehen." Rechtskräftig
ist die Entscheidung noch nicht: Staatsanwältin Beatrix Winkler gab
vorerst keine Erklärung ab, ließ jedoch durchblicken, dass ein
Rechtsmittel eher unwahrscheinlich sein dürfte.
Hintergrund
Hintergrund des Strafverfahrens gegen Angelika
Obermayr, bis Juli 2001 ÖH-Vorsitzende an der Universität Wien, waren
offensichtliche Unstimmigkeiten in der damaligen Studentenvertretung:
Die Oppositionsfraktionen hatten im Jänner 2000 den Antrag auf Abwahl
Obermayrs, die der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG) angehörte, auf
die Tagesordnung einer Sitzung des Studentenparlaments setzen lassen.
Die Chancen, damit durchzukommen, standen nicht schlecht: Von den
insgesamt 27 Mandataren hatten sich die zwölf Vertreter
linksgerichteter Fraktionen darauf "eingeschworen". Sie durften auch
mit der Unterstützung zweier "abgesprungener" AG-Funktionäre rechnen,
was bei einer Abstimmung das Ende der Ära Obermayr wahrscheinlich
gemacht hätte.
Als Obermayr jedoch den Sitzungssaal betrat, hatten dort erst drei
oder vier Mandatare Platz genommen. Einige andere warteten draußen
auf die Zuspätkommenden. Die AG-Vertreter hatten aus politischem
Kalkül von vornherein ihr Fernbleiben avisiert.
Als die ÖH-Vorsitzende daran ging, die Beschlussfähigkeit
festzustellen, war plötzlich überhaupt kein anderer Mandatar mehr im
Saal - angeblich wollten die einen die anderen rasch hereinholen.
"Man könnte natürlich auch zur Ansicht kommen, die haben das getan,
damit die Obermayr nicht anfangen kann, weil einige Zuspätgekommene
noch gefehlt haben", bemerkte dazu Richter Karl Fischer in seiner
Urteilsbegründung.
Die Vorsitzende nützte jedenfalls die Situation aus, indem sie in
kürzester Zeit die Tagesordnungspunkte hinter sich brachte, fürs
Protokoll festhielt, dass nur sie selbst anwesend und die
Beschlussfähigkeit somit nicht gegeben war. Die Sitzung war nach
wenigen Minuten gelaufen, Obermays Abwahl konnte - übrigens bis zum
Ende ihrer Funktionsperiode - nicht stattfinden.
Überzeugt von der Richtigkeit
"Ich war und bin überzeugt davon, dass ich alles richtig gemacht
habe. Nachdem ich gesehen habe, dass keiner da war außer mir, habe
ich mich aufgerufen. Das Einzige, was mir richtig erschien, war die
Sitzung zu schließen", so Angelika Obermayr in ihrer gerichtlichen
Einvernahme. Überhaupt sei ihr erst im Verlauf des Verfahrens klar
geworden, dass sie als ÖH-Chefin rechtlich als Beamtin galt: "Ich
habe vorher nicht darüber nachgedacht. Ich habe mich in erster Linie
als Interessensvertretung gesehen."
Neue ÖH-Führung übt Kritik
Die derzeit amtierende, links gerichtete ÖH-Bundesvertretung (ihr
gehört der VSStÖ, die GRAS sowie der KSV an) stellte am Freitag in
einer Presseaussendung fest, Obermayr habe sich ungeachtet ihres
Freispruchs "keinen Demokratiepreis verdient". Der durch ihre
Amtsführung eingetretene Imageverlust der ÖH sei in jedem Fall zu
beklagen. Die ÖH-Vorsitzende Anita Weinberger meinte: "Klar ist, dass
Obermayr mit ihrem verkürzten und nicht über Lautsprecher erfolgten
Aufruf der Mandatarinnen und Mandatare gegen die Geschäftsordnung der
ÖH verstoßen hat. Den Scherbenhaufen wegzuräumen, der uns auch von
anderen konservativen Exekutiven hinterlassen wurde, wird noch lange
dauern."
Verteidiger Ainedter über ÖH-Reaktion empört
Manfred Ainedter, der Verteidiger der ehemaligen Wiener
ÖH-Vorsitzenden Angelika Obermayr, zeigte sich nach deren Freispruch
empört über die Reaktion der derzeitigen ÖH-Bundesvertretung. Diese
hatte in einer Aussendung gemeint, Obermayr habe sich ungeachtet des
Ausgangs ihres Strafverfahrens "keinen Demokratiepreis verdient". "Es
zeugt von mangelndem Demokratieverständnis dieser Personen, wenn sie
diesen Freispruch jetzt in Frage stellen", meinte Ainedter dazu am
Freitagnachmittag.
Das "seinerzeitige Abwahlbündnis" - die der ÖVP-nahen
Aktionsgemeinschaft (AG) angehörende Obermayr war vor allem dem VSStÖ
und der GRAS ein Dorn im Auge, die gemeinsam mit dem KSV die
nunmehrige Bundesvertretung bilden - habe seine Niederlage zur
Kenntnis zu nehmen, sagte Ainedter. Einen allfälligen Imageverlust
der Studentenvertretung hätten die gegnerischen Fraktionen und nicht
seine Mandantin verursacht: "Sie waren es, die diese Angelegenheit
auf völlig unnötige Weise auf eine strafrechtliche Ebene gehoben
haben." (APA)