Zeit
"Abtreibungen im siebten Monat waren keine Seltenheit"
Studie: Mehr als die Hälfte der ZwangsarbeiterInnen in Oberösterreich waren Frauen
Linz - Mehr als die Hälfte der ZwangsarbeiterInnen in
Oberösterreich waren Frauen. Dies geht aus Studien hervor, die die
Linzer Universitätsprofessorin Gabriella Hauch bei einem Symposion
zum Thema "Industrie und Zwangsarbeit im Nationalsozialismus" am
Freitag in Linz präsentierte. Die Deportation von Frauen aus den
besetzten Gebieten der Sowjetunion zum "Arbeitseinsatz" begann 1942.
Auffallend sei die hohe Zahl an Abtreibungen unter den
Zwangsarbeiterinnen in den Industriegebieten: Insgesamt konnten
bisher 972 Abtreibungen in "Oberdonau" nachgewiesen werden.Haushalt, Landwirtschaft, Industrie
1943 waren insgesamt 34.000 ZwangsarbeiterInnen - hauptsächlich aus der
Sowjetunion - in Oberösterreich "beschäftigt". 51 Prozent davon waren
Frauen. Die meisten von ihnen arbeiteten in Haushalten und in der
Landwirtschaft. Einige waren aber auch in der Industrie "tätig". Die
größte Gruppe machte die "Ostarbeiterinnen" - wie die Frauen aus der
Sowjetunion bezeichnet wurden - aus.
Abtreibungsverbote gelockert
Sie befanden sich - nach Juden und "Zigeunern" - auf der untersten
Stufe der rassistischen NS-Hierarchie, berichtete Hauch. Im März 1943
wurden die Abtreibungsverbote für Ostarbeiterinnen gelockert.
"Eklatant" sei das Zahlenverhältnis von Abtreibungen und Geburten bei
Zwangsarbeiterinnen in den Hermann Göring-Werken in Linz. Von 1943
bis zu Beginn des Jahres 1945 standen 37 Geburten 117 Abtreibungen
gegenüber. Viele Frauen wurden sogar noch im siebenten
Schwangerschaftsmonat in die Landesfrauenklinik und ins AKH
"eingeliefert", dokumentierte Hauch.
Kinder, die von Zwangsarbeiterinnen zur Welt gebracht wurden,
wurden in so genannten "fremdvölkischen Säuglingsheimen" -
offizieller Sprachgebrauch "Ausländerkinderpflegestätten" -
untergebracht. Die Sterblichkeit in diesen Heimen lag zwischen 40 und
80 Prozent.
In der damals von den Nazis kontrollierten Linzer
Landesfrauenklinik wurden die Frauen in einer "Ostarbeiterbaracke"
untergebracht und zu "Übungszwecken" in der Medizin missbraucht. So
wurden etwa Hebammen an "rassisch Minderwertigen" ausgebildet.
"Nachdem Abtreibungen im sechsten und siebenten Schwangerschaftsmonat
keine Seltenheit waren, erübrigt sich jegliche Diskussion um
Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung der betroffenen Frauen",
unterstrich Hauch. (APA)