Zeit
Die Stufen der Eskalation
Historiker Peter Longerich sieht die Konferenz als "Momentaufnahme einer Übergangsphase"
Berlin - Der Historiker Peter Longerich ordnet die Konferenz als Dokument
einer von mehreren Stufen der Eskalation der Judenvernichtung ein.
Nach zwei Wellen massenhafter Deportationen kam bereits zum Zeitpunkt
der Konferenz vielfach die "Vernichtung durch Arbeit". Im März 1942
begann dann eine dritte Deportationswelle. Zugleich wurden
osteuropäische Juden massenweise umgebracht. Ab Mai/Juni ereilte
dieses Schicksal auch die meisten in Sobibor oder Minsk ankommenden
Deportierten; ab Juli auch in Auschwitz. Für Longerich ist es eine "Momentaufnahme einer Übergangsphase":
Die Führung der SS habe einen Perspektivwechsel vollzogen von der
Vorstellung einer "kommenden" Endlösung nach dem gewonnenen Krieg hin
zur Absicht, immer größere Teile des Vorhabens schon während des
Krieges zu erledigen. Das wurde für die Nazis wichtig, da sich abzeichnete, dass
der Krieg nicht so schnell wie erhofft zu beenden war.
Die frühere Vorstellung eines Juden-Reservats im Osten, von Madagaskar ganz zu
schweigen, kommt im Protokoll der Konferenz nicht mehr vor. Sollte
das dem Konferenzverlauf entsprechen, so würde es bedeuten, dass -
von "Altersgettos" etwa in Theresienstadt abgesehen - die
"Judenfrage" nach dem Ende der auf der Besprechung festgelegten
Maßnahmen als erledigt anzusehen wäre. (APA)