Mit der Öffnung des Gasmarktes im Oktober legt Österreich den letzten Schritt auf dem langen Liberalisierungsmarsch zurück. Schon zuvor haben die Gesetze des Marktes in der Telekommunikation und im Strom Einzug gehalten. Die nach außen sichtbarste Folge: Die Preise sinken, aus Versorgungsfällen werden Kunden. Das ist gut so. Von den durch eine Liberalisierung ausgelösten Verbilligungen profitieren aber nicht alle Kundengruppen gleich. In einem freien Markt gilt die einfache Regel: Wer wenig verbraucht, erspart sich kaum etwas oder zahlt sogar drauf. Wer viel verbraucht, lebt dagegen drastisch billiger, auch weil um die Großen viel mehr Anbieter buhlen. Auch das ist gut so. Aber Liberalisierungsziel ist nicht nur, dass man um Ersparnisse in Cent-Bruchteilen feilschen kann. Wird richtig dereguliert, kann der Wettbewerb brachliegende Potenziale in Firmen und Mitarbeitern wecken. Als Beispiel gilt in der E-Wirtschaft Großbritannien, wo bei sinkenden Preisen die Versorgungssicherheit für die Stromkunden gestiegen ist. Das verdanken die Briten einem richtigen und strengen Regelwerk und einem Regulator, der auch auf den Tisch hauen kann. Auch das ist gut so. Die kalifornische Stromkrise im Vorjahr wird oft als warnendes Beispiel dafür zitiert, dass Liberalisierung zu viele Risiken berge. Das ist falsch. Wäre der Energiemarkt in Kalifornien wirklich liberalisiert worden, hätte es vermutlich kaum Stromausfälle gegeben. Dort hieß Marktöffnung: Haushaltstarife sind nach oben begrenzt, Großhandelspreise nicht. Diese Asymmetrie hat den "freien" Strommarkt kollabieren lassen - am Ende musste die Politik eingreifen. Die Moral von der Geschichte: Nur ein gutes Regelwerk ermöglicht den freien Markt, sonst zahlen die Konsumenten die Zeche. Und das ist nicht gut so. (DER STANDARD, Printausgabe 17.1.2002)