Film
"Utopia Blues": Ein Filmdebüt gewinnt den Schweizer Filmpreis 2002
37. Solothurner Filmtage mit Jahresrückschau
Solothurn - Beim diesjährigen Schweizer
Filmpreis wurden am Mittwoch Abend in Solothurn die Hauptpreise an Erstlingsfilme vergeben. Auch bei den Darstellern werden junge, bislang wenig bekannte Namen ausgezeichnet. Am Donnerstag Abend folgte die Vergabe der Nachwuchspreise. Stefan Haupts Erstling "Utopia
Blues" war der große Sieger: Neben dem Preis für den besten Spielfilm wurde
Hauptdarsteller Michael Finger als bester
Darsteller ausgezeichnet. Der 26-Jährige spielt einen unangepassten
Jugendlichen, der Rockmusiker werden möchte. Er überzeugt mit einem
subtilen Adoleszenzporträt in einem Film, dem im Kino nur ein mäßiger
Erfolg beschieden war.
Die Darstellerinnenpreise gingen, ebenfalls
überraschend, an die Schülerinnen Andrea Guyer und Carol Schuler, die
im Fernsehfilm "Lieber Brad" von Lutz Konermann die Töchter des
ebenfalls nominierten Mathias Gnädinger spielen.
Den Preis für den besten Dokumentarfilm des letzten Jahres erhielt
überraschend der Basler Vadim Jendreyko für "Bashkim". Er porträtiert
einen Boxer aus Ex-Jugoslawien, der auch im privaten Leben
gewalttätig wird. Den Preis für den besten Kurzfilm konnte der Genfer
Georges Schwizgebel für seinen fünfminütigen Animationsfilm "La jeune
fille et les nuages" entgegen nehmen. Schwizgebel macht seit 1970
Filme, für die er schon mit zahlreichen Preisen bedacht worden ist.
"Swapped" und
"Geranienfriede"
Die Preise für die besten Schweizer
Nachwuchsfilme des Jahres 2001 gehen an Pierre Monnard für den
Kurzspielfilm "Swapped" und an Marcel Hobi für den Animationsfilm
"Geranienfriede". Die Preise wurden am Donnerstag Abend in Solothurn vergeben.
Der 25-jährige Westschweizer Filmstudent Pierre Monnard erzählt in
seinem zehnminütigen "Swapped" von zwei Geschwistern, die ihren
zeitungslesenden Vater gegen zwei Goldfische eintauschen. Monnard
wurde in Vevey geboren. Er studiert an der Filmschule Bournemouth
(GB), wo er seinen zweiten Kurzfilm auch realisiert hat.
Der 38-jährige St. Galler Trickfilmschaffende Marcel Hobi verfolgt
in seinem fünfminütigen "Geranienfriede" in schwärzestem Humor und
trockenen Dialogen die großen Katastrophen der kleinen Menschen. Hobi
realisiert seit 1993 Trickfilme.
"Venus Boyz" zum Auftakt
Mit dem Dokumentarfilm "Venus Boyz" sind am
Dienstag nachmittag die diesjährigen Solothurner Filmtage eröffnet
worden. Bis 20. Jänner sind bei diesem traditionellen Schweizer Filmfestival - als Jahreswerkschau der österreichischen 'Diagonale' vergleichbar - in acht Kinos rund 250 Filme zu sehen.
129 neue Schweizer Produktionen sind programmiert -
insgesamt fast 95 Stunden professionelles Filmschaffen aus dem
letzten Jahr. Und das entspricht nur knapp der Hälfte der 271
eingereichten Werke; die andere Hälfte hat die Auswahlkommission
abgelehnt. Ausserdem fehlen
zudem einige neue Kinofilme, etwa "Eloge de l'amour" von Jean-Luc
Godard, "Brombeerchen" von Oliver Rihs, "Thelma" von Pierre-Alain
Meier oder "L.A. X" von Florian Froschmayer.
"Venus Boyz" der Zürcherin Gabriel Baur ist bereits einer der
erfolgreichsten Dokumentarfilme des Jahres. Bei seiner Uraufführung
letzten August in Locarno hatte er den Preis der Kritikerwoche
gewonnen. Und im Februar ist er als bisher einziger Schweizer Film an
die Internationalen Filmfestspiele Berlin eingeladen.
Der Film, eine schweizerisch-deutsch-US-amerikanische
Koproduktion, porträtiert Frauen in den Großstädten New York und
London, die zu Männern werden - zu schrillen Drag Kings und
Gendernauts. "Venus Boyz", der Ende Februar in den Schweizer Kinos
anläuft, ist zudem für den Schweizer Filmpreis nominiert, der am
Mittwoch Abend vergeben wird.
In seiner Eröffnungsrede wies Filmtage-Direktor Ivo Kummer auf die
Bedeutung der Öffnung des Schweizer Festivals hin, das jetzt auch
ausländische Filme zeige. "Die Schweiz ist keine Insel. Es lohnt
sich, einen Blick über die Grenzen zu werfen", sagte er.
Erstes Gastland der Filmtage ist die Provinz Québec. Die Situation
der frankophonen Minderheit in Kanada sei vergleichbar mit der
Situation der Romandie, des Tessins oder des Bündnerlandes, sagte
Kummer.
Ziel des Sonderprogramms ist vor allem der Vergleich mit dem
Schweizer Filmschaffen. Im Programm "Invitation: Québec" sind
insgesamt 22 Arbeiten zu sehen.
Im Mittelpunkt der Filmtage steht nach wie vor die Werkschau des
Schweizer Filmschaffens des Jahres 2001. Gezeigt werden nicht nur die
schon bekannten Filme der Jahresproduktion 2001, sondern auch einige
Premieren.
Ziel der Filmtage sei, "die Identität des Schweizer Films zu
stärken", betonte Kummer. Von 271 visionierten Arbeiten des letzten
Jahres hat das Festival insgesamt 129 Schweizer Produktionen in das
Programm der 37. Filmtage aufgenommen. Um den in den letzten Jahren
stetig gestiegenen Publikumszahlen zu begegnen, wurde die vor den
Altstadt-Mauern gelegene Reithalle erstmals zu einem Filmtage-Kino
umgebaut. (APA/sda)