Argentinien
Argentiniens Präsident ruft zur Einigkeit auf
Attacken auf "unfähige und korrupte" Vorgänger - Befürchteter freier Fall des Peso bisher ausgeblieben
Buenos Aires - Der neue argentinische Präsident
Eduardo Duhalde hat sein Land zur Geschlossenheit aufgerufen, um die
soziale und wirtschaftliche Krise zu bewältigen und einen Zustand der
Anarchie zu verhindern. "Ein Kreislauf skandalöser und gefährlicher
argentinischer Illusionen ist zum Ende gekommen", sagte Duhalde in
der Nacht zum Dienstag."Anarchie beseitigen"
Unternehmer, Gewerkschafter und die Politiker des Landes müssten
zusammenarbeiten und das Land wieder aufbauen, das von
"Unverständigen und Korrupten" ruiniert worden sei. Es gelte, "die
Zerstörung zu bewältigen, die uns an den Rand von Anarchie und Gewalt
gebracht hat", sagte Duhalde. "Wir müssen die Nation von Grund auf
neu aufbauen", fügte der katholische Erzbischof Estanislao Karlic
hinzu.
Die argentinische Währung hatte sich unterdessen zum Wochenanfang
behauptet. Am vergangenen Freitag war der Peso nach seiner Abkopplung
vom Dollar im freien Handel um 41 Prozent eingebrochen. Händlern
zufolge blieb der freie Fall der Landeswährung, der Hoffnungen auf
eine Ende der vier Jahre währenden Rezession zunichte machen würde,
allerdings bisher aus.
Industrielle Wiedergeburt erhofft
Argentinien sei auf die Investitionen internationaler
Wirtschaftsgruppen angewiesen und wolle mit den Nachbarstaaten
kooperieren, sagte der Peronist Duhalde und kündigte eine
Regierungsreform an. Für den Wiederaufbau der Wirtschaft müsse eine
große industrielle Wiedergeburt angestoßen werden. Rohstoffförderung
und -export müssten gesteigert und das Fischerei-, Transport- und
Kommunikationswesen ausgebaut werden.
Duhalde hatte die Kontrollen über die Banken, die die alte
Mitte-Links-Regierung von Präsident Fernando de la Rua zum Schutz vor
einem Bankensturm durchgesetzt hatte, am Wochenende als "Zeitbombe"
bezeichnet, die das nationale Bankensystem zu zerstören drohten. In
der vergangenen Woche hatte die neue Regierung den Peso von seiner
Eins-zu-Eins-Bindung zum Dollar abgekoppelt und einen offiziellen
Wechselkurs von 1,40 Peso je Dollar für Außenhandel und Bankgeschäfte
sowie einen freien Marktkurs für Devisentransaktionen der Bevölkerung
eingeführt.
IWF gegen doppelten Wechselkurs
Der Internationale Währungsfonds (IWF) kritisierte den doppelten
Wechselkurs als unpraktikabel und will Ende Jänner die weiteren
Reformpläne für Argentinien in Augenschein nehmen. Die Regierung
Duhalde will innerhalb eines Monats ein umfangreiches Rettungspaket
mit dem IWF aushandeln. Nach Schätzungen von Regierungsvertretern
benötigt das krisengeschüttelte Land bis zu 20 Milliarden Dollar
(22,4 Mrd. Euro), um sein angeschlagenes Finanzsystem zu retten.
Analysten zufolge können zahlreiche argentinische Firmen und Banken
nur mit internationaler Hilfe überleben.
Die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas hat öffentliche
Schulden in Höhe von 141 Milliarden Dollar (rund 157 Milliarden Euro)
und ihren Schuldendienst zeitweilig ausgesetzt. Die Arbeitslosenquote
liegt bei 18,3 Prozent, ein Drittel der Bevölkerung lebt in Armut.
Auch am Montag hatten sich erneut Tausende Arbeitslose vor dem
Großmarkt in Buenos Aires versammelt und Lebensmittel gefordert. Vor
Duhaldes Amtsübernahme Anfang des Monats waren zwei Präsidenten in
rascher Folge nach teils gewaltsamen Protesten der Bevölkerung gegen
den Wirtschaftskurs des Landes gestürzt.
Die Zentralbank gab derweil in der Nacht zum Dienstag
Konvertierungsregeln für Bankschulden bekannt. Demnach sollen
Hypotheken für Eigenheime bis zu 100.000 Dollar zum offiziellen
Wechselkurs, darüber hinausgehende Beträge zum freien Marktkurs
konvertiert werden. Bei Autokrediten liegt die Schwelle den Angaben
zufolge bei 15.000 Dollar. (APA/dpa)