Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel lässt dem Chef der Schwesterpartei CSU, Edmund Stoiber, den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur. Ihren Verzicht erklärte Merkel am Freitagnachmittag vor dem CDU-Präsidium und anschließend vor der Presse. Zuvor gab es für Stoiber-Fans Auftrieb durch die am Freitag veröffentlichten Werte des Politbarometers. Demnach liegt der bayerische Ministerpräsident nur noch vier Prozentpunkte hinter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Auf die Frage, welchen der beiden Politiker die Befragten am liebsten als Kanzler sähen, nannten 44 Prozent den CSU-Chef, während sich 48 Prozent für den SPD-Chef aussprachen. Merkel kam auf 36 Prozent und lag 20 Prozentpunkte hinter Schröder. Enttäuschung bei Frauenunion Die Frauen-Union zollte dem Verzicht Merkels zwar Respekt, machte aber auch ihre Enttäuschung deutlich, wie der Spiegel berichtet. "Es schwingt ein Stück Enttäuschung mit", sagte die Vorsitzende der Frauen-Union, Maria Böhmer, am Freitag am Rande der Bundesvorstandssitzung der CDU in Magdeburg. Merkel sei eine starke Frau und eine überzeugende Persönlichkeit und es hätte mit ihr zum ersten Mal die Situation gegeben, in der eine Frau für das Amt kandidiert hätte. Das hätte zu einer großen Mobilisierung von weiblichen Wählern geführt, meinte Maria Böhmer. Jetzt gelte es, die auch von der Parteichefin gewünschte Geschlossenheit herzustellen. Weitere Reaktionen Führende CDU-PolitikerInnen haben dem CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber volle Unterstützung im kommenden Bundestagswahlkampf zugesagt und Angela Merkel für ihren Verzicht gedankt. Merkel als Vorsitzende und Stoiber als Kanzlerkandidat könnten sich auf die geschlossene Unterstützung der CDU verlassen. Merkel könne jetzt "unbeschädigt Parteivorsitzende der CDU bleiben". SPD-Fraktionschef Peter Struck nannte die Absage Merkels "eine schwere Niederlage für die CDU". Was die CSU gemacht habe, nenne man in der Wirtschaft eine feindliche Übernahme, sagte der SPD-Politiker zu Beginn eines Treffens der Fraktionsvorstände von SPD und Grünen in Wörlitz. Die CDU sei "zum Anhängsel der CSU" geworden. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck sprach im Südwestrundfunk von einer "Politintrige des Jahrhunderts", der Merkel zum Opfer gefallen sei. "CDU noch nicht reif für eine Kandidatin" Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch sagte, Merkel sei als Parteivorsitzende demontiert worden. Die Entscheidung über den Kanzlerkandidaten der Union sei kein "Glanzstück politischer Kultur" gewesen. Stoiber müsse man ernst nehmen. Er habe jedoch keinen Zweifel, dass Schröder und Außenminister Joschka Fischer die Wahl gewinnen würden. Fraktionschefin Kerstin Müller erklärte, die Entscheidung habe gezeigt, das die CDU noch nicht reif für eine Frau als Kandidatin sei. Die bayrischen Grünen haben Stoiber die charakterliche Eignung zum Bundeskanzler abgesprochen. Der CSU-Vorsitzende habe die CDU-Chefin Angela Merkel mit "beispielloser Rücksichtslosigkeit" an die Wand gedrückt. "Brutales Niedermachen" aber wäre "ein verheerender Charakterzug" für einen Kanzler, sagten die Grünen-Landesvorsitzenden Jerzy Montag und Margarete Bause am Freitag in München. (red)