Wirtschaft
Suche nach EU-Übernahmerichtlinie geht in neue Runde
Bei Übernahmeangebot sollen Anteilseigner entscheiden
Brüssel/Berlin - Ein halbes Jahr nach dem Scheitern der
Übernahmerichtlinie im Europäischen Parlament gibt es einen neuen
Vorstoß für eine einheitliche Regelung. Am Donnerstag legte eine
Expertengruppe im Auftrag der EU-Kommission in Brüssel entsprechende
Empfehlungen vor. Kernpunkt: Liegt ein Übernahmeangebot für ein
Unternehmen vor, sollen die Anteilseigner darüber entscheiden. Zudem
sollen bestimmte Sonderrechte während der Übernahmephase ausgesetzt
werden. Die Richtlinie war damals vor allem in Deutschland auf Widerstand
gestoßen. Die damalige Regelung sah vor, dass der Vorstand einer von
Übernahme bedrohten Firma zur Neutralität verpflichtet werden und vor
möglichen Schutzmaßnahmen zunächst die Erlaubnis der Aktionäre
einholen sollte. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich deshalb
auch auf Druck deutscher Unternehmen vehement gegen die Richtlinie
ausgesprochen.
Maßnahmen zur Abwehr nur mit
Zustimmung der Hauptversammlung
Allerdings empfiehlt auch die Expertengruppe, dass die
Unternehmensleitung Maßnahmen zur Abwehr der Übernahme nur mit
Zustimmung der Hauptversammlung ergreifen können soll. Spezielle
Schutzmechanismen wie etwa die so genannte Goldene Aktie in
Staatsbesitz sollen aber während der Übernahmephase ausgesetzt
werden. Dies soll aber nur gelten, wenn der Bieter 75 oder mehr
Prozent des Gesellschaftskapitals kaufen will. Der siebenköpfigen
Expertengruppe gehört auch Klaus Hopt, Geschäftsführender Direktor am
Max-Planck-Institut, an.
Der zuständige EU-Kommissar Frits Bolkestein kündigte an, nach
Prüfung der Empfehlungen werde die Brüsseler Behörde noch in diesem
Frühjahr einen neuen Richtlinienvorschlag für Übernahmegebote
vorlegen. Ziel der Richtlinie ist es, dass Übernahmen von Unternehmen
EU-weit unter gleichen Bedingungen ablaufen.
Europäisches Parlament reagiert positiv
Erste Reaktionen aus dem Europäischen Parlament auf die
Empfehlungen waren positiv. Der rechtspolitische Sprecher der
konservativen EVP-Fraktion, der deutsche Abgeordnete Klaus-Heiner
Lehne, sprach von einem "ermutigendem Fortschritt". Im Europäischen
Parlament war die Richtlinie nach zwölfjährigen Verhandlungen
letztlich gescheitert, weil sie nach Auffassung vieler Parlamentarier
keine gleichen Bedingungen geschaffen hätten. In Deutschland trat zum
1. Jänner 2002 ein nationales Übernahmegesetz in Kraft. (APA/AP)