Zeit
Er organisierte die "Endlösung der Judenfage" in Polen
... und arbeitete nach dem Weltkrieg für den US-Geheimdienst: der Salzburger SS-Offizier Hermann Höfle
Hamburg - Der Salzburger SS-Offizier Hermann Höfle ist einer
der großen Unbekannten der NS-Geschichte: Im Auftrag Heinrich
Himmlers hatte er 1942 unter dem Codewort "Einsatz Reinhardt" die
"Endlösung der Judenfage" im besetzten Polen organisiert. Wie die
Hamburger Zeitschrift "Die Zeit" in ihrer neuen Ausgabe berichtet,
wird durch erst jetzt freigegebene Akten aus britischen Archiven die
genaue Tätigkeit Höfles bekannt. Dabei ist, wie "Die Zeit" in einem Vorausbericht schreibt, auch
erstmals die exakte Zahl der 1942 in Sobibor, Treblinka, Belzec und
Majdanek ermordeten Menschen ans Licht gekommen: 1.274.166. Ebenfalls
konnte erst jetzt aufgedeckt werden, dass der zigtausendfache
Massenmörder, der nach dem Krieg untergetaucht war, Anfang der
fünfziger Jahre in den Dienst des amerikanischen Geheimdienstes CIC
eintrat.
Biographie Höfles
Geboren 1911 in Salzburg, arbeitete er als Automechaniker und
Taxiunternehmer. Partei- und SS-Mitglied seit 1933, wurde er 1939,
nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen, Chef des volksdeutschen
Selbstschutzes in Neu-Sandez (Nowy Sacz) und begann im September 1940
als Leiter eines Lagers für jüdische Zwangsarbeiter in Belzec seine
Karriere als einer der Haupttäter des Holocaust.
Doch Höfles Leben nach seiner Festnahme durch die Engländer am 31.
Mai 1945 auf der Möslacher Alm am Weißensee in Kärnten, wo er sich
mit Globocnik und anderen Komplizen versteckt hatte, ist zu
erheblichen Teilen noch ungeklärt.
Nach dem Krieg
1946 veröffentlichte die Zentrale Jüdische Historische Kommission
in Polen eine bedeutende Dokumenten- und Materialiensammlung mit
entscheidenden Höfle-Quellen. In dem Band befindet sich zudem eine
gewichtige Zeugenaussage von M. Reich (Marcel Reich-Ranicki), dem
ehemaligen Sekretär des Warschauer Judenrates, über die Vernichtung
des Ghettos. Eindeutig wird hier der SS-Sturmbannführer Höfle als
Leiter des "Einsatzes Reinhardt" und des Warschauer "Vernichtungs-
oder Ausrottungskommandos" identifiziert.
Im August 1947 wurde Höfle aus dem Internierungslager Wolfsberg in
Kärnten entlassen und der österreichischen Justiz übergeben. Am 30.
Oktober 1947 wurde er auf "Gelöbnis" entlassen. In der Folge
arbeitete er in seiner Heimatstadt Salzburg im gelernten Beruf als
Automechaniker. Am 15. Dezember 1947 wurde er vermutlich das erste
und einzige Mal von den Amerikanern vernommen. Später floh Höfle nach
Italien, wo er die nächsten Jahre unter falschem Namen lebte.
"Hans Hartmann"
Anfang 1951 kehrte er aus Italien nach Österreich zurück. Im März
versuchte er heimlich nach Westdeutschland zu gelangen und wurde
wegen illegalen Grenzübertritts festgenommen. Er nannte seinen
richtigen Namen und erklärte vor einem Münchner Gericht, die Polen
suchten ihn und er befürchte, gekidnappt zu werden. Dieses Argument
scheint für die bayerischen Behörden überzeugend gewesen zu sein,
denn einen Monat später erhielt er neue Papiere mitsamt einer
Aufenthaltsgenehmigung. Auf Grund seiner Verbindungen zu alten
SS-Kameraden in Bayern geriet er ins Visier der Abwehrorganisation
der US-Armee, des CIC. Höfle wurde längere Zeit beschattet. Dann
machte man ihm ein Angebot zur Arbeit für den Geheimdienst. Fortan
erhielt Höfle vom CIC den Decknamen "Hans Hartmann" und wurde mit
hundert Mark monatlich vergütet. Jedoch schon im Juni 1954 ließ ihn
der CIC aus unbekannten Gründen fallen.
Im Jänner 1961 wurde der millionenfache Mörder in Salzburg
festgenommen. Drei Monate später begann in Jerusalem der
Eichmann-Prozess. Höfle dürfte in der Untersuchungshaft das Verfahren
verfolgt haben, tauchte doch sein Name dort mehrfach auf. Am 1. Juni
1962 wurde Adolf Eichmann hingerichtet. Hermann Höfle richtete sich
selbst: Am 21. August 1962, kurz vor seinem Prozess, erhängte er sich
in einem Wiener Gefängnis. (APA)