Wien - "Die normative Kraft des Faktischen" bewirkt, was aufwändige Werbekampagnen oder gutes Zureden nicht schaffen: Die Österreicher haben den Euro sang-und klanglos als neue Währung übernommen. Für Helene Karmasin, Leiterin des Instituts für Motivforschung, ist die Haltung ihrer Landsleute "typisch": Da man ohnehin "nichts gegen ihn machen könne", hätten die Österreicher entschieden, "sich lieber schnell an den Euro zu gewöhnen". Zudem würden sie "ein bisschen Urlaubsgefühl" damit verbinden. Weiters glaubt Karmasin, dass "die gut geplante Umstellungsphase das Vertrauen" in jene Institutionen gestärkt habe, die mit der Umstellung betraut waren. Beim ersten Montagsgespräch von Radio Wien und dem S TANDARD im neuen Jahr galt es nach einer Woche Euro im Land erste Erfahrungen zu rekapitulieren.

Auch im Museumsbetrieb macht sich Euro-Lust bemerkbar: Während der ersten Öffnungstage im Jänner ist der Anteil jener Besucher, die etwa im Wiener Kunsthistorischen Museum mit Euro gezahlt haben, rapid gestiegen: Am 2. Jänner zahlten noch 90 Prozent mit Schilling. Drei Tage später hielten schon 70 Prozent den Euro parat. Die derzeit herrschende Euphorie kann aber Direktor Wilfried Seipel, bekennender "Nostalgiker" in Sachen Schilling, nicht nachvollziehen. Er bedauert, dass die Gestaltung der Euro-Banknoten durch den Notenbank-Designer Robert Kalina "gesichts- und geschichtslos" ausgefallen sei. Eine Einschätzung, die im Publikum heftige Zustimmung findet. Zudem sei der Umgang mit den kleinen Münzen mühsam, sie seien für ihn kaum erkennbar, moniert ein älterer Herr. Andere berichten von der Mühsal des Umtauschens bei der Nationalbank: Eine Stunde Wartezeit sei in Kauf zu nehmen von jenen, die ihre alten Währungsreserven loswerden wollten.

Wirtschaftsdynamik

Mit der gesamteuropäischen Währung und ihren gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Auswirkungen sieht STANDARD-Chefredakteur Gerfried Sperl auch Harmonisierungsdruck entstehen: für einheitliche Steuern, für einheitliche Preise. "Absolut", stimmt Vorstandsvorsitzender Siegfried Menz, Ottakringer Brauerei, zu. "Der Wettbewerbsdruck nimmt zu." Und wenn schon Transparenz bei der Währung herrsche, dann solle dies im Sinne der Konsumenten auch bei Steuern gelten. Schließlich funktioniere der Handel bereits seit Entstehen des EU-Binnenmarktes länderübergreifend. Die Konsumenten würden dort kaufen, wo es billiger sei. Etwa in Passau, wo Computer billiger zu haben seien als in Österreich. "Das spielt dem E-Commerce in die Hände", glaubt Karmasin.

Eine Tendenz, die der Konsumentenschützer der Arbeiterkammer, Harald Glatz, "nicht überschätzen" würde. Denn dies treffe nicht auf Produkte des täglichen Bedarfs zu. "Selbst wenn die Gurke in Deutschland billiger zu haben ist, wird niemand extra deswegen hinüberfahren." Durch den Binnenmarkt sei ohnehin eine Preisanpassung passiert, so große Unterschiede wie noch vor 15 Jahren gebe es nicht mehr.

Statt einer raschen Steuerharmonisierung hält es Glatz für wichtiger, "weiter die Preise zu beobachten, damit Unternehmen nicht versteckte Erhöhungen durchführen". Bei der Eurohotline der Arbeiterkammer würden auch jetzt noch viele Beschwerden von Konsumenten eingebracht. Dies gehe durch alle Branchen: Besitzer von Pizzerien zum Beispiel würden derzeit die Preise nach oben runden, meldeten Kunden. Es gelte ein "Preisbewusstsein" bei Konsumenten zu fördern - denn ab 1. März werden nur mehr Europreise ausgewiesen.

(DerStandard,Print-Ausgabe,9.1.2002)