Wien - Die US-Gesellschaft North American Refractories Company Inc. (NARCO) des österreichischen börsenotierten Feuerfestproduzenten RHI (Wien), hat am Freitag, den 4. Jänner 2002, Gläubigerschutz gemäß Chapter 11 beantragt, gab RHI am Montag in einer Ad-hoc-Mitteilung bekannt. NARCO war wegen Asbesthaftungen in den vergangenen Monaten massiv unter Druck geraten.Weiterführung im reduzierten Umfang Die RHI strebt für ihre US-Tochter eine Bereinigung der Asbestforderungen und die Weiterführung in reduziertem Umfang an, sagte Finanzvorstand Eduard Zehetner am Montag. Neben dem Gläubigerschutzverfahren solle für NARCO ein Reorganisationsplan durchgezogen werden. Um die Asbestansprüche zu befriedigen, werde die Billigung des Chapter-11-Verfahrens durch das Insolvenzgericht vorausgesetzt, wohl ein Teil der Aktien von NARCO eingezogen werden. NARCO war von Allied Signal, einem Unternehmen des Honeywell-Konzerns, 1986 an die deutsche Didier verkauft worden, wobei Allied Signal alle Asbesthaftungen gegen eine jährliche Zahlung von 3,5 Mill. Dollar behalten hat. Mit dem Erwerb von Didier 1994 fiel NARCO an die RHI AG. Als Allied Signal aufgrund der stark gestiegenen Asbestansprüche von NARCO eine jährliche Entschädigung von 20 Mill. Dollar verlangte, "haben wir abgelehnt", so Zehetner. NARCO hätte diese Summe nicht verdienen können, und Zuschüsse durch die Mutter aus Europa seien nicht in Frage gekommen. Anders gelagert ist der Fall Harbison Walker, einem Feuerfesthersteller, den RHI Ende 1999 vom US-Mischkonzern GIT gekauft hat und der ebenfalls mit Asbestproblemen konfrontiert ist. "Rund die Hälfte der Fortune-500-Unternehmen in den USA kämpfen mit Asbestansprüchen", sagte Zehetner. Mit dem Asbestthema würden sich in den USA an die tausend Anwaltskanzleien mit Sammelklagen beschäftigen. Die Anwälte würden öffentlich nach Asbestgeschädigten suchen und gingen mit den Fragen an die Bevölkerung, ob jemand an einem bestimmten Ort gewohnt oder gearbeitet habe und daraus "5.000 Dollar verdienen" wolle. "Wir sind jetzt parallel (zu NARCO, Anm.) dabei, das US-Thema in Scheiben zu schneiden und die Restrukturierung unseres US-Geschäftes einer Lösung zuzuführen", so Zehetner. Hiefür seien verschiedene Varianten in Überlegung. Schiedsgerichtverfahren Eine Abspaltung der US-Aktivitäten der RHI gäbe zur Asbestproblematik "nichts her", so Zehetner. Zu Harbison Walker sei RHI in einem Meinungsstreit mit dem früheren Harbison-Walker Eigentümer Halliburton, dem weltgrößten Erdölausrüster. Den Stein ins Rollen habe RHI gebracht, das gegen Halliburton eine Klage für die Inanspruchnahme einer gemeinsamen Versicherungspolizze eingebracht habe, worauf Halliburton mit einer Klage "zurückgeschlagen" habe. RHI habe "gedrängt dass Geld fließt" und trete für ein Schiedsgerichtsverfahren ein, in dem vier Einzelverfahren zusammengefasst werden sollen. Parallel werde versucht, auf bilateraler Basis ein rascheres Einvernehmen zu finden, da ein Schiedsgerichtsverfahren mindestens ein bis eineinhalb Jahre dauern würde. Gesetzesnovelle Die in der Vorwoche bekannt gewordene Gesetzesnovelle im US Bundesstaat Pennsylvania - dem Standort von Harbison Walker - bedeutet laut Zehetner, dass ein mit Asbestansprüchen konfrontiertes Unternehmen, das die Haftungen durch eine Akquisition übernommen hat, maximal bis zur Höhe des Übernahmewertes in Anspruch genommen werden könne. "Das wäre ein Beitrag zur Lösung", so Zehetner. Bisher hätten Asbestansprüche auch das Zehnfache des Übernahmewertes ausmachen können. Im Lauf dieser Woche werde RHI eine umfassende Darstellung der neuen Gesetzeslage aus Pennsylvania übermittelt bekommen. Auswirkungen auf das Ergebnis noch ungewiss Wie sich die Asbestansprüche, die laut Zehetner im vergangenen Jahr "explodiert" seien, auf das RHI-Ergebnis 2001 auswirken werde, ermittle derzeit der Wirtschaftsprüfer. NARCO wird infolge des Chapter-11-Verfahrens zum Bilanzstichtag 2001 aus der RHI-Bilanz dekonsolidiert. Zu Detailfragen werde RHI bei der Antrittspressekonferenz des neuen Vorstandsvorsitzenden Helmut Draxler am Dienstag nächster Woche Stellung nehmen. Heraklith-Verkauf gestoppt Der Verkauf der Baustofftochter Heraklith, der unter dem abgelösten RHI-Chef Georg Obermeier forciert wurde, sei bis auf weiteres gestoppt. Beim Bieterverfahren sei angesichts der maroden Baukonjunktur kein für RHI befriedigender Preis erzielbar gewesen. RHI könne mit dem Heraklith-Verkauf auf ein besseres Konjunkturumfeld, in ein oder zwei Jahren, warten. Das Feuerfestgeschäft der RHI sei bis auf die US-Beteiligungen in den übrigen Teilen der Welt "stark und gesichert". Aktien brechen ein Die RHI-Aktie ist am Montag vormittag zwischenzeitlich auf ein neues Allzeittief abgesackt. Der Kurs gab im Tagesverlauf bis auf 4,16 Euro um rund 40 Prozent nach, nachdem laut Händlern "eher große als kleine" Verkäufer auf den Plan getreten waren, die "ohne Rücksicht auf Verluste" ihre RHI-Papiere verkauft hätten. Am frühen Nachmittag konnte sich RHI bei 5,40 Euro stabilisieren, was immer noch einem Kursverlust von gut 22 Prozent entsprach. Im Vorjahr hat die RHI-Aktie insgesamt 65 Prozent an Wert eingebüßt, sie war damit schwächster ATX-Wert. Der bisher tiefste Schlusskurs war am 6. November 2001 mit 5,00 Euro festgestellt worden. (APA,red)