Kandahar/Washington - Die USA haben den früheren Taliban-Botschafter in Pakistan, Mullah Abdul Salam Zaeef, in Afghanistan festgenommen und erhoffen sich von ihm Hinweise auf den Verbleib des Taliban-Chefs Mullah Mohammed Omar und des mutmaßlichen Terrordrahtziehers Osama Bin Laden. Zaeef war am Samstag von Pakistan abgeschoben und von US-Streitkräften in Gewahrsam genommen worden.

Zusammen mit rund 300 anderen Gefangenen aus den Reihen der Taliban und der Bin-Laden-Organisation al-Qa'ida wird der ehemalige Taliban-Botschafter in Pakistan nach Angaben aus Sicherheitskreisen von US-Geheimdienstspezialisten verhört. Der 34-jährige Zaeef ist als bärtiger und bebrillter Sprecher der Taliban aus zahlreichen im Fernsehen übertragenen Pressekonferenzen bekannt. Die US-Armee verhört ihre Gefangenen in drei Lagern in Afghanistan und auf einem Kriegsschiff im Indischen Ozean.

Auf der Suche nach Bin Laden griff die US-Luftwaffe am Sonntag wieder mutmaßliche Rückzugsgebiete seiner Kämpfer in Ostafghanistan an, wie die Nachrichtenagentur AIP meldete. Die Ziele seien in der Bergregion Spinghar, etwa 45 Kilometer südlich von Jalalabad, gelegen. Eine unabhängige Bestätigung der Meldung gab es zunächst nicht. US-Soldaten durchkämmen das Gebiet in der Nähe zur pakistanischen Grenze gemeinsam mit einheimischen Verbündeten.

Flucht auf Motorrad?

Der Chef der afghanischen Übergangsregierung, Hamid Karsai, versicherte, er sei entschlossen, die beiden meistgesuchten Männer der Welt festzunehmen. Karsai sagte auf die Frage nach dem Aufenthaltsort Omars vor Journalisten: "Ich weiß es nicht, wir suchen nach ihm, wir werden ihn festnehmen." Mullah Omar war zuletzt in der Provinz Helmand im Süden Afghanistans vermutet worden. BBC berichtete, der 42-jährige Taliban-Chef sei auf einem Motorrad geflüchtet. Der Gouverneur der Provinz teilte mit, seine Kämpfer hätten in der Region 200 Tonnen Munition sowie Dutzende Waffen beschlagnahmt.

US-Präsident George W. Bush hat seine Landsleute erneut auf einen langen Krieg gegen den internationalen Terrorismus eingeschworen. In einer Rede 90 Tage nach Beginn der Angriffe auf Afghanistan am 7. Oktober sagte Bush im kalifornischen Ontario, die Amerikaner müssten Geduld haben. Man habe bereits "unglaubliche Fortschritte" erzielt. Der Krieg sei jetzt in eine "gefährliche Phase" getreten. Sondereinheiten der Armee jagten die führenden Köpfe der Terroristen und durchkämmten dabei Höhle um Höhle in feindlichem Terrain.

Der Familie des am Freitag im Osten Afghanistans getöteten US-Soldaten drückte Bush sein Beileid aus. Der 31-jährige Nathan Ross Chapman habe "sein Leben für eine gerechte und wichtige Sache gelassen". (Reuters, AP/DER STANDARD, Print- Ausgabe, 07. 01. 2002)