Wer ist schwarz-weiß gefleckt wie ein Dalmatiner, schwimmt (fast) wie ein Fisch und knackt Muscheln wie ein Otter? Das Turopolje-Schwein, das auch Dalmatiner-Schwein genannt wird, ist so ein Tausendsassa. Leider sind die bunten Rüsseltiere schon länger aus der Mode gekommen. Seit menschliches Profitstreben nur noch Turbosäue auf dem Fleischmarkt duldet und Schweine in Tierfabriken "produziert" werden, sind alle alten Landschweinrassen ins Hintertreffen geraten. Einerseits wäre die eingangs erwähnte Rasse beispielsweise trotz seiner vielen Talente durch den Krieg im ehemaligen Jugoslawien in den 90er-Jahren um ein Borstenhaar ausgerottet worden. Andererseits konnten die Dalmatiner-Schweine in ihrer engeren Heimat Kroatien, wo noch extensive Landwirtschaft betrieben wird, selbst in Zeiten einer immer stärkeren Industrialisierung dieses Sektors gerade noch überleben. In Österreich bemüht sich der Verein zur Erhaltung gefährdeter Haustierrassen (VEGH) um die Weiterzucht der schwarzfleckigen "Dalmatiner-Schweine", in Kroatien selbst wurde ein SAVE-Projekt ins Leben gerufen - SAVE ist die Dachorganisation von Initiativen, die sich die Sicherung der landwirtschaftlichen Artenvielfalt in Europa zum Ziel gesetzt haben. Im Naturpark Lojnsko Polje durchstreift also wieder eine kleine Herde von Turopoljer Schweinen die Eichenwälder, wie das seit Jahrhunderten für die Gegend typisch war. Einmalig an der Rasse ist ihre Anpassung an die häufigen Hochwässer in ihrem Lebensraum: Das Turopolje-Schwein liebt das feuchte Element - und zwar nicht nur in Form von Schlammkuhlen, wie seine grunzende Verwandtschaft. Turopoljer Schweine schwimmen gern und suchen sogar aktiv Nahrung im Wasser: Gegebenenfalls fressen sie sogar das Fleisch der Süßwassermuscheln, die es in ihrem neuen alten Lebensraum noch gibt und die sie mit ihren kräftigen Zähnen aufknacken. In Österreich müssen die Turopoljer auf solch eine Muscheldiät zwar verzichten, da sind sie als Haustiersensation auch am Tirolerhof im Zoo Schönbrunn in Wien zu bewundern und werden darüber hinaus von engagierten Privathaltern weitergezüchtet. Wollschweine Um das Turopoljer Schwein gezielt zu fördern, hat der VEGH eine Patenschaft ins Leben gerufen: Wer Schwein haben will, aber selber keines halten kann, hat die Möglichkeit, Pate zu werden. Und auch für eine zweite, nicht minder interessante Schweinerasse, werden von VEGH Paten gesucht: fürs Mangaliza-Wollschwein. Das ist nicht schwarz-bunt, sondern graubraun, dafür aber von Kopf bis Schweinsfuß mit einem dicken, gekräuselten Pelz bedeckt. Damit trotzt das Wollschwein jeder Witterung und auch der schlimmsten Kälte. Zu k. u. k. Zeiten wurden ganze Herden von Mangaliza-Schweinen aus Ungarn bis in die Residenzstadt Wien getrieben - ihr fettes Fleisch bildete ursprünglich die Grundlage für die legendäre ungarische Salami. Wo immer Mangaliza gehalten werden, sind sie eine Sensation: Vor allem die Ferkel sehen reizend aus in ihrem Lockenpelz. Die uralten Landrassen haben nicht nur optische Vorzüge: Sie sind robust, wenig krankheitsanfällig, genügsam im Futter und besonders fruchtbar - und bilden damit eine unendlich wertvolle Genreserve für die modernen Hochleistungsrassen. Umso wichtiger ist es aber, die genetische Vielfalt bei den wenigen noch überlebenden Vertretern der "alten Rassen" zu bewahren. Gerade Rassen wie das Turopoljer oder das Mangaliza-Schwein, von denen nur noch wenige Exemplare existieren, dürfen nicht einfach nur "vermehrt" werden. Hier ist gezielte Zucht nötig, um die Gesundheit und die genetische Breite der Rasse zu erhalten. Lob der Vielfalt Der VEGH bemüht sich als privater Verein in Österreich um den Erhalt der alten Rassen - nicht nur ums Turopoljer und Mangaliza-Schwein, sondern auch ums Altsteirer und ums Sulmtaler Huhn, um die Tauernschecken-Ziege, den Kurzhaarpinscher oder das Murbodner Rind. Mit den alten Rassen soll nicht nur die genetische Vielfalt erhalten werden, sondern auch uraltes Kulturgut: Nicht nur Kirchen, Schlösser oder Gemälde zeugen von dem, was unsere Vorfahren einst schufen und was ihnen wichtig war. Auch die Tiere mit und von denen sie lebten, sind Ausdruck ihrer Kultur - und zwar ein im wahrsten Sinn des Wortes lebendiger. Sich an der Erhaltung dieses "lebenden Kulturgutes" zu beteiligen, ist nicht nur höchst sinnvoll, sondern macht auch Spaß: Wenn man sich zu einer Schweinepatenschaft entschlossen hat, gibt es auch das dazugehörige Besuchsrecht beim ganz persönlichen Glücksbringer. Gegen Voranmeldung versteht sich. So wird man Schweine-Pate Derzeit werden vom Verein zur Erhaltung gefährdeter Haustierrassen zwei Schweinerassen für eine Patenschaft angeboten: das Mangaliza- und das Turopolje-Schwein. Die Patenschaft pro Tier und Jahr kostet 150 EURO, (2064 S), dafür gibt's eine Urkunde und ein DIN-A4-Foto des Tieres. Eine Hälfte des Patenschaft-Betrages geht an den Halter des Tieres für Fütterungs- und Pflegekosten, die zweite Hälfte wird vom VEGH für die Rasse-Erhaltungsarbeit (Tierankäufe etc.) verwendet. Doch auch eine Mitgliedschaft beim VEGH hilft den Schweinen und auch anderen gefährdeten Kollegen wie dem Zackelschaf, der Pfauenziege oder der Haubenente auf die Sprünge: Um 25 Euro Jahresmitgliedsbeitrag ist man dabei. Dafür erhält man auch die viermal jährlich erscheinende Zeitschrift Arche mit interessanten Meldungen rund um unsere gefährdeten Haustierrassen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5./6. 1. 2002)