Europa
Kostunica: 2002 ein entscheidendes Jahr für Jugoslawien
Klärung der Staatskrise und Verabschiedung moderner Verfassungen stehen an
Belgrad - Das Jahr 2002 soll für die Zukunft der aus Serbien
und Montenegro bestehenden Bundesrepublik Jugoslawien entscheidend
sein. In seiner Neujahrsbotschaft forderte Präsident Vojislav
Kostunica die "Klärung der Situation, die Lösung der Staatskrise und
die Verabschiedung von neuen, demokratischen und modernen
Verfassungen" im neuen Jahr. Immer noch ungewiss ist, ob Montenegro
Teil Jugoslawiens bleiben oder den Weg in die Unabhängigkeit wählen
wird. Die Expertengruppe, die seit Ende Dezember an Vorschlägen zur
Umbildung des im Jahre 1992 verkündeten "dritten Jugoslawiens"
arbeitet, soll bis Mitte Jänner einen Bericht vorlegen. Die ungleiche
Föderation soll nach Ansicht Belgrads umgestaltet werden.
Gespaltenes Montenegro
In Montenegro, wo mit dem 1. Jänner der Euro ebenfalls zur
offiziellen Währung geworden ist, besteht weiter eine tiefe Spaltung
zwischen den Anhängern der Unabhängigkeit und ihren Gegnern. Nur in
einem eigenständigen Montenegro könne man sich zu Hause fühlen,
erklärt Präsident Milo Djukanovic. Nur tiefgreifende Reform- und
Demokratisierungsprozesse würden Montenegro einen gleichberechtigten
Platz in der Familie der europäischen Völker und Staaten sichern.
Die geplante Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Montenegros
soll bis spätestens Mai stattfinden. Die Anhänger der Unabhängigkeit
haben mit hartem Widerstand der pro-jugoslawischen Opposition zu
kämpfen, die bisher auch die Vorbereitungen auf das Referendum
boykottiert haben. Zwischen den Parteien besteht derzeit auch noch
keine Einigkeit, welche Mehrheit für die Unabhängigkeit erforderlich
sein soll, um von allen Seiten akzeptiert zu werden. Derzeit haben
die Anhänger der Unabhängigkeit nur einen äußerst knappen Vorsprung.
Nur breite Unterstützung könnte aber Konfrontationen nach der
Volksabstimmung verhindern.
Staatskrise hemmt internationale Partizipation
Serbien ist um eine möglichst rasche Klärung der Staatskrise
bemüht. Davon hängen sowohl neue Absprachen mit dem Internationalen
Währungsfonds (IWF), aber auch die Wiederaufnahme bzw. Aufnahme in
internationale Organisationen ab. Eine Sezession Montenegros dürfte
auch die für heuer erwartete Aufnahme in den Europarat wieder in
weite Ferne rücken.
Innenpolitisch ist in Serbien zu erwarten, dass die Rivalität
zwischen den zwei größten Parteien des regierenden Bündnisses DOS,
der Demokratischen Partei Serbiens von Kostunica und der
Demokratischen Partei von Ministerpräsident Zoran Djindjic, anhalten
werden. Eine Meinungsumfrage hat erst vor wenigen Tagen erneut
gezeigt, dass keine der führenden DOS-Parteien bei eventuellen
vorgezogenen Wahlen derzeit die notwendige Mehrheit zur Bildung einer
Alleinregierung bekommen würde. Gemeinsam liegt das DOS-Bündnis
hingegen weiterhin bei 49 Prozent der Bevölkerung.
So sparte Präsident Kostunica in seiner Neujahrsansprache nicht
mit Kritik an der serbischen Regierung, die nach seiner Ansicht "mehr
versprochen als gehalten" habe. Naturgemäß sah das Ministerpräsident
Djindjic ganz anders: "Wir sind durch das große Tor in die Welt
zurückgekehrt", bilanzierte er die bisherige Arbeit seiner Regierung. (APA)