Leo Kirch hat es sich so schön vorgestellt – mit Top-Filmen, exklusiven Events und großem Werbeaufwand wollte der Medienmogul das kürzlich runderneuerte Pay-TV-Programm Premiere World glänzen lassen und neben Couchpotatoes auch den Gelegenheitsseher zum Griff zum Hörer und zur Investition mehrerer hundert Schilling monatlich bewegen. Zumindest ein Teil des Plans ging auf: die Zuschauer mehrten sich, jedoch nicht die zahlenden Abonnenten. Kirchs Verschlüsselungsprogramm Betacrypt war geknackt. Im Westen nichts neues Schon seit 1997 mehren sich die Meldungen, es wäre möglich das chiffrierte Signal diverser kostenpflichtiger Sender vom PC aus unangemeldet zu empfangen. Vor allem das damals noch analoge Programm des deutschen Senders Premiere war ein beliebtes Angriffsziel diverser Hacker. Jedoch waren es fast ausschließlich technisch versierte Könner, die das illegale Vergnügen hatten. Schnell aber mehrten sich die Anleitungen und Programme, mit denen es schließlich auch Anfängern möglich wurde, Pay-TV zu empfangen. Eine billige TV-Karte brachte mit einem 100 Mhz schnellem Pentium-Prozesssor schon flüssige, farbige Bilder aus dem Fernsehreich des Leo Kirch. Der Medienunternehmer reagierte gelassen; die Schwarzseher seien nur eine Minderheit, mit Erscheinung des digitalen Sender-Konglomerats Premiere World würde sich sowieso einiges ändern. Viele Methoden Dem geschah nicht so: seit Mitte dieses Jahre ist auch die digitale TV-Welt nicht mehr sicher. Die vielen verschiedenen Wege zu kostenlosen Pay-TV haben eines gleich: sie benötigen die D-Box, das Empfangsgerät für das codierte Signal, oder ähnliche Receiver. Das Internet bietet viele verschiedene Foren, die mit Anleitungen locken. Eine Möglichkeit ist die Bestellung eines Probeabos von Premiere World. Man gelangt dadurch zu einer Smart-Card, dem Schlüssel zu den Programmen. Die Karte schickt der geneigte User nach Ablauf des Abos nicht zurück und meldet sie als verloren. Technisch nicht versierte Benutzer besorgen sich über Internet eine eigene Platine, die über eigene Software gesteuert wird. Kostenloses Vergnügen Ein relativ unproblematisches Unterfangen, wie selbst der Laie erkennen muss: der Sender schickt die codierten Programmdaten an die D-Box, die dann das Benutzerkennwort abfragt. Die Hacker überschreiben die Firmware der Set-top-Box, die für die Verschlüsselung zuständig ist – die Kennwort- oder Nummernabfrage wird so deaktiviert. Nicht nur der Empfang von Premiere World inklusive aller nicht jugendfreier Programme wird damit zum familientauglichen Kinderspiel, eine Vielzahl anderer Sender wie Adult X oder Canal+ können problemlos am eigenen PC oder via TV-Ausgang am Fernseher betrachtet werden. Wer nicht bereit ist, derartige Manipulationen selbst durchzuführen, der wende sich an den Händler seines Vertrauens. Viele Elektronikhändler haben mittlerweile das Marktpotenzial vorpräparierter Smart-Cards entdeckt. Anfang August wurde ein 39-jähriger Ladenbesitzer aus Frankfurt, der für rund 3500 ATS veränderte Smart-Cards verkauft hatte, festgenommen. Als die Polizei das Geschäft durchsuchte, stellte sie eine Vielzahl von Chipkarten und eine umfangreiche Käuferliste sicher. Premiere: langsame Nervosität Premiere reagierte anfänglich noch gelassen: die User seien eine Minderheit, um Schwarzsehern vorzubeugen würden mehrmals jährlich Schlüssel-Updates verschickt. Heute hat sich das Bild verändert. Laut eines aktuellen Gutachtens habe der Pay-TV-Sender allein im vergangenen Jahr über 90.000 potenzieller Kunden und Beträge in Milliardenhöhe verloren. Für den finanziell schwer belasteten Leo Kirch ebnet sich der Weg ins geschäftliche Fiasko dadurch nur noch schneller. Aus diesem Grund wird nun mit einer „Aktion Scharf“ gegen die Pay-TV-Hacker vorgegangen. Hans Seger, Produktgeschäftsführer von Premiere World, kündigt weitere Schläge an: "Jedem muss klar sein, dass es sich beim Kartenmissbrauch nicht um Kavaliersdelikte handelt, die einfach hingenommen werden. Wer Premiere World schwarz empfängt, macht sich strafbar. Die Zeit der Verniedlichungen ist vorbei." (eru)