Der slowakische Teil der CSR bekam die Folgen der westlichen Appeasement-Politik von München sehr rasch zu spüren, weil nun auch Ungarn seine Revisionsansprüche erhob. Als direkte Verhandlungen zwischen Prag und Budapest scheiterten, überließen die Westmächte Hitler und Mussolini die Entscheidung. Im "Ersten Wiener Schiedsspruch" (2. November 1938) zogen die Außenminister Deutschlands und Italiens die neuen Grenzen, die den vorwiegend von Magyaren bewohnten Süden - mit mehr als 10.000 Quadratkilometern ungefähr ein Fünftel der Slowakei - Ungarn zuschlugen.Polen holte sich einige Dörfer in den Beskiden. Schon bei der Abtretung des Sudetenlandes waren an der March das Dorf Devin/Theben mit seiner imposanten Burgruine und der südlich der Donau liegende Industrievorort von Bratislava, Petrzalka/Engerau, dem "Reichsgau Niederdonau" einverleibt worden. Die Slowakische Volkspartei, an deren Spitze nach Hlinkas Tod der Priester Jozef Tiso gewählt worden war, setzte die anderen Parteien in der Slowakei - die Kommunisten waren von der Prager Regierung bereits verboten worden - unter Druck und ließ sie am 8. Oktober 1938 in Zilina/Sillein auf ihr Autonomieprogramm einschwören. Die hilflose CSR-Regierung nahm es sofort an. Der Reststaat bekam nun wieder seinen 1919 abhanden gekommenen Bindestrich, und diese Tschecho-Slowakei wurde föderalisiert: Die Slowakei und die Karpato-Ukraine wurden autonome Provinzen. Die Slowakei bekam eine Landesregierung, ein Parlament und eigene Gerichte, Slowakisch wurde zur offiziellen Amtssprache. Die Parteien, ausgenommen die Sozialdemokraten, schlossen sich zur "Partei der Nationalen Slowakischen Einheit" zusammen. Die paramilitärischen "Hlinka-Garden" beherrschten die Straßen. Doch Hitler hatte sein Ziel, die "Rest-Tschechei" völlig seinem Reich einzuverleiben, nicht aufgegeben. Er benützte dabei sowohl die Slowaken als auch die Karpatendeutschen, die bis dahin problemlos mit jenen zusammengelebt hatten, zu einem Doppelspiel. Während Tiso in der Autonomielösung die Erfüllung lang gehegter Wünsche sah, setzte der Kreis um den aus dem Zuchthaus entlassenen Tschechen- und Judenhasser Vojtech Tuka auf die volle Souveränität der Slowakei. Sowohl Tuka als auch der nazistische Führer der Karpatendeutschen, Franz Karmasin, machten Berlin mit diesen Absichten vertraut. Der besorgte tschecho-slowakische Staatspräsident Hácha erhielt vom deutschen Gesandten die Versicherung, ein Vorgehen gegen die Separatisten würde Berlin als innere Angelegenheit der CSR betrachten. Hácha setzte daraufhin Tiso am 10. März 1939??? ab, ließ Tuka und andere Mitglieder der slowakischen Landesregierung verhaften und verhängte den Ausnahmezustand. Während Hácha einen neuen Mann mit der Bildung einer slowakischen Landesregierung betraute, wurde Tiso zu Hitler geholt. Dieser machte klar, dass er eine slowakische Souveränitätserklärung erwarte; widrigenfalls würde er das Land "seinem Schicksal überlassen", wobei die Besetzung durch Ungarn angedeutet wurde. Am 14. März beschloss der Landtag in Bratislava die Unabhängigkeit. Hácha wurde nach Berlin zitiert und unter der Drohung eines Bombardements Prags zur Akzeptanz der Errichtung des Protektorats und der Loslösung der Slowakei gezwungen. Die Ungarn zwickten dem eben "souverän" gewordenen Land, als sie die Karpato-Ukraine annektierten, noch einmal einen breiten Grenzsaum im Osten ab. Der unter solchen Umständen aus der Taufe gehobene slowakische Staat wurde unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt; er war völlig vom Hitlerregime abhängig, obwohl Tiso zunächst ein gewisser Spielraum belassen wurde, weil die Slowakei für andere südosteuropäische Staaten Vorzeigeobjekt sein sollte. Im Juli gab sich die Slowakei eine Verfassung, die eher dem austrofaschistischen Ständestaat von Dollfuß nachgebildet war als der Nazidiktatur. Tiso, der Staatspräsident wurde, war nicht umsonst bei seinem Theologiestudium in Wien ein bewundernder Schüler des zeitweiligen österreichischen Bundeskanzlers und Prälaten Ignaz Seipel gewesen. Tiso ernannte Vojtech Tuka, der faschistischen Idealen anhing und ausgesprochen deutschfreundlich war, zum Ministerpräsidenten; Geheimdienstchef wurde der Führer der Hlinkagarde, der Parteimiliz der nunmehrigen Einheitspartei. Als der Krieg ausbrach, durften sich die Slowaken als Bundesgenossen Deutschlands mehrere Dörfer im gebirgigen Norden, die 1919 bzw. 1938 von Polen annektiert worden waren, zurückholen. Die Slowakei trat dem Antikomintern- und dem Dreimächtepakt bei und stellte Truppen für Hitlers Angriff auf die Sowjetunion zur Verfügung. Allerdings desertierten später an der Kaukasusfront viele slowakische Soldaten, und Ludvík Svoboda begann mit ihnen die Bildung eines tschechoslowakischen Armeekorps. Zwischen Tiso und Tuka gab es wiederholt Spannungen. Als Tiso nach dem Nichtangriffspakt zwischen Berlin und Moskau zaghafte Annäherungsversuche an die Sowjetunion unternahm, drohte ein faschistischer Staatsstreich, und der Präsident wurde gezwungen, seinem Premier als dem völlig bedingungslosen Kollaborateur auch das Außenministerium zu übertragen. Die slowakische Wirtschaft wurde voll auf die deutschen Bedürfnisse ausgerichtet. Zehntausende Slowaken wurden - zunächst auf freiwilliger Basis, später unter Zwang - als Arbeitskräfte nach Deutschland geholt. Gegenüber den rund 90.000 Juden in der Slowakei begann eine Politik der Ausgrenzung. Dem Berufsverbot für jüdische Akademiker folgten die Beschlagnahmen jüdischen Vermögens und schließlich Masseneinweisungen in Arbeitslager. Als aber Adolf Eichmann 1942 den Auftrag erhielt, auch die slowakischen Juden nach Polen zu deportieren, gab es in der Bevölkerung Empörung, und Tiso stoppte die Deportationen. Er und die Bischöfe suchten zudem vor allem Bürger jüdischer Abstammung zu schützen, die getauft waren. Erst im Herbst 1944 setzte sich Himmler über die slowakischen Bedenken hinweg, und der SS-Führer Anton Brunner übernahm die Organisierung der Todestransporte. Doch mit Unterstützung der Bevölkerung konnte ein Drittel der slowakischen Juden versteckt und so vor der Ermordung gerettet werden. Als sich mit Stalingrad die Wende im Krieg abzeichnete, erfasste der slowakische Widerstand, zunächst vor allem von kommunistischen Zellen geführt, größere Kreise. Der im Land verbliebene Führer der illegalen Partei, Gustáv Husák (er sollte 1969 Nachfolger Dubceks werden) war zunächst für die Bildung einer Slowakischen Sowjetrepublik, wofür Stalin nicht zu haben war. Dessen per Fallschirm abgesprungene Vertrauensleute brachten Husák auf den Kurs zur Wiedererrichtung der Tschechoslowakei, allerdings als föderativer Staat zweier Nationen. Der nicht informierte Benes in London musste auch zur Kenntnis nehmen, dass sich die Kommunisten und der bürgerliche Widerstand Ende 1943 auf die Bildung eines "Slowakischen Nationalrates" geeinigt hatten. Hingegen sprachen hohe slowakische Offiziere, die im Frühjahr 1944 einen Militärputsch vorbereiteten, ihren Plan mit der Londoner Exilregierung ab. In den gebirgigen Landesteilen begannen mit Unterstützung eingesickerter ukrainischer Kämpfer Partisanenaktionen. Schließlich wurde ein gemeinsamer großer Schlag von Partisanen und Militär vereinbart. Im August 1944 brach in der Mittelslowakei der "Slowakische Nationalaufstand" aus. Tiso rief, als die Kämpfe immer bedrohlicher wurden, Racheaktionen vor allem seine Anhänger sowie Volksdeutsche trafen und sogar die aus dem abgefallenen Rumänien zurückkehrende deutsche Militärmission massakriert wurde, deutsche Truppen zu Hilfe. Wehrmacht und SS schlugen in einem zwei Monate dauernden gnadenlosen Kampf, der auch Tausende Zivilisten das Leben kostete, den Aufstand nieder; er war aussichtslos geworden, als der Sowjetarmee der Durchbruch durch die Karpatenpässe misslang. Tiso zelebrierte am 30. Oktober in Banská Bystrica eine Dankmesse. Der Nationalaufstand aber wurde für die Slowaken in der wiedererstandenen CSR zum Mythos ihres Versuchs der Befreiung aus eigener Kraft. Im Jänner 1945 drang die Rote Armee in der Slowakei vor, am 4. April fiel Bratislava. Der geflüchtete Tiso unterzeichnete in Kremsmünster die Kapitulation seiner Slowakei. Von den Amerikanern ausgeliefert, wurden er und Tuka neben anderen Kollaborateuren zum Tode verurteilt und hingerichtet. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15./16.12.2001)