Wien - Vienna waits for you - für Anelia S. muss der Fremdenverkehrsslogan der Bundeshauptstadt wie eine gefährliche Drohung klingen: Die 62-jährige Touristin aus der Ukraine befindet sich seit Samstag im Polizeigefangenenhaus Roßauer Lände in Wien-Alsergrund in Schubhaft. Grund: Ihre Tasche ist weg, gestohlen oder verloren. In der Tasche war der Pass, im Pass das Visum, der Rest folgte fremdenpolizeilicher Gesetzeslogik. Frau S. war mit einer ukrainischen Reisegruppe auf dem Heimweg von Italien. Aber wenn schon einmal in Wien, dann wenigstens ein Zwischenstopp, entschieden die Busreisenden: aussteigen, Beine vertreten, eine Kleinigkeit essen. Kurz vor der Weiterfahrt stellte Frau S. mit Entsetzen fest, dass ihre Tasche samt Geld und Pass weg war. Und das an einem Freitag um 22 Uhr. Die Situation war ärgerlich, aber nicht ausweglos. Denn Frau S. hat einen Neffen in Wien. Der holte sie ab, die Reisegruppe fuhr weiter. Gleich Montag wollte Frau S. zur Botschaft, um Ersatzdokumente zu besorgen. Zur Sicherheit der Republik Doch als sie Samstag in der Stadt unterwegs war, hieß es plötzlich: "Ausweis, bitte." Warum das nicht möglich war, durfte die 62-jährige Dame im Kommissariat erklären - und landete zur Sicherheit der Republik Österreich in Schubhaft. Die Gründe, warum sie sich dort Dienstag immer noch befand, scheinen kafkaesk: Bei der Fremdenpolizei warte man auf grünes Licht aus der ukrainischen Botschaft, dort wiederum heiße es, man könne nichts tun, solange Frau S. in Schubhaft sei, erfuhren ihre Verwandten, die sich große Sorgen machen: "Sie hatte schon einmal einen Herzinfarkt und vor kurzem eine Gallenblasenoperation. Sie braucht Medikamente und muss Diät einhalten." Maria Vassilakou, Menschenrechtssprecherin der Wiener Grünen, forderte Dienstag eine sofortige Entlassung der Ukrainerin. "Diese unmenschliche Behandlung einer in Not geratenen Frau ist durch nichts zu rechtfertigen", kritisierte Vassilakou. Im Innenministerium war der Fall am Dienstag noch nicht bekannt, weil EDV-mäßig noch nicht zentral erfasst. Auf die Standard-Anfrage hieß es nur: "Wenn das stimmt, na dann!" (DerStandard,Print-Ausgabe,28.11.2001)