Bonn/Berlin - "Endlich ist der Tag X gekommen, auf den wir so lange gewartet haben." Amin Nadjib ist als Vertreter der Nordallianz bei der am Dienstag,beginnenden Afghanistan-Konferenz auf dem Bonner Petersberg. "Es war 23 Jahre Krieg in Afghanistan. Für uns Afghanen ist es eine große Freude, dass die internationale Gemeinschaft mit uns einen gemeinsamen Weg suchen will", betont der Nordallianz-Vertreter im Gespräch mit dem STANDARD. Danach gefragt, ob er optimistisch in die Verhandlungen gehe, meint Nadjib aber ziemlich brüsk: "Nein." Es gebe so viel zu tun: Die Millionen Flüchtlinge zu versorgen, innere und äußere Sicherheit herstellen, eine Verwaltung aufbauen. "Das ist sehr viel."

Danach gefragt, ob die Nordallianz bereit sei, nach den Eroberungen in Afghanistan auch Macht abzugeben, antwortet Nadjib. "Wir haben immer schon gesagt, dass wir keine Verantwortung für Afghanistan übernehmen und alleine tragen können. Das muss von allen ethnischen Gruppen getragen werden." Die Forderung nach einer Teilung der Macht wurde noch vor Beginn des Auftakts der offiziellen Gespräche von Vertretern des Exilkönigs Zahir Shah erhoben.

Weitaus restriktiver äußert sich Nadjib zur Akzeptanz einer internationalen Truppe zur Sicherung des Friedens. "Das kommt auf das Verhalten der Nachbarn an: Pakistans und der ausländischen Söldner. Nur wenn wir uns aus eigener Kraft nicht helfen können, dann ist das eine Möglichkeit." Selbstverständlich unter UN-Mandat, betont der Vertreter der Nordallianz.

Wie eine solche Schutztruppe aussehen könne, skizziert der deutsche UN-Vertreter Thomas Ruttig: Keine Blauhelmtruppe, sondern eine internationale Truppe mit einem UN-Mandat müsse dies sein, so der Mitarbeiter von UN-Vermittler Lakhdar Brahimi. Grund dafür ist, dass sich Blauhelme nur selbst verteidigen dürften, was angesichts der Sicherheitslage als nicht ausreichend eingestuft wird. Außerdem könne eine internationale Truppe schneller eingesetzt werden, da der Aufbau einer Blauhelmtruppe dauere.

Um mehr Druck in die Verhandlungen zu bringen, reisten auch Vertreter des UN-Sicherheitsrates an. Sie sitzen zwar nicht am Verhandlungstisch, sind aber auf den Fluren "präsent", wie es in diplomatischen Kreisen hieß.

Internationaler Druck ist nach Ansicht von Kai Hafez vom Deutschen Orientinstitut auch nötig, damit die Konferenz keine Farce wird. "Ich hoffe, dass in entscheidenden Punkten eingegriffen wird: Präsident Rabbani muss gesagt werden, nicht die Macht zu usurpieren. Und dem König muss klar gemacht werden, dass er nicht die breite Unterstützung hat, wie er glaubt." Hafez zweifelt auch, dass die Paschtunen bei der Bonner Konferenz entsprechend repräsentiert sind. "Der Exilkönig, der seit 30 Jahren das Land nicht mehr betreten hat, kann nicht sagen: Ich repräsentiere alle." Es sei auch völlig unklar, auf welches politische System hingearbeitet werde. Hafez favorisiert eine parlamentarische Demokratie mit einem Zweikammersystem: In der zweiten Kammer könnten die Volksgruppen repräsentiert werden, die erste Kammer müsse die Gesetzgebung machen.

Auf dem Bonner Petersberg ist für die Konferenz alles vorbereitet: Drei Gebetsräume wurden in dem Hotelkomplex eingerichtet, das Frühstück wird wegen des Ramadan vor Sonnenaufgang serviert. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 27.11.2001)