Kosovo
Belgrad: Frage der Kooperation mit UNO- Tribunal erneut aktuell
Jugoslawische Behörden rechnen mit Kritik Del Pontes
Belgrad - In Jugoslawien hat die Frage der Zusammenarbeit
mit dem UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag erneut an Aktualität
gewonnen. Die Chefanklägerin des Tribunals, Carla del Ponte, soll am
Dienstag dem UNO-Sicherheitsrat ihren Jahresbericht präsentieren. In
Belgrad wird harte Kritik Del Pontes vor allem an der mangelnden
Kooperationsbereitschaft der jugoslawischen Regierung und des
föderalen Präsidenten Vojislav Kostunica erwartet.
Del Ponte hatte bei ihrem jüngsten Besuch in Belgrad unter anderem
auch ihre Unzufriedenheit über die mangelnde Bereitschaft der
jugoslawischen Behörden bekundet, dem Tribunal Einsicht in die
Staatsarchive zu gewähren. Präsident Kostunica hatte am Wochenende
gegenüber der britischen Tageszeitung "Sunday Times" bekräftigt, dass
er dem Tribunal keine Einsicht in "empfindliche Dossiers des
jugoslawischen Militärs" zu gewähren gedenke. Jugoslawien habe
Anrecht auf den Schutz von Staatsgeheimnissen, präzisierte Kostunica
demnach.
Teil der Souveränität verloren
Die Leiterin der Belgrader nichtstaatlichen Organisation der
Anwälte für Menschenrechte, Biljana Kovacevic-Vuco, ist unterdessen
der Ansicht, dass Jugoslawien dazu verpflichtet ist, dem Tribunal
Einsicht in die beantragten Dokumente zu gewähren. Durch die Gründung
des UNO-Tribunals und die Pflicht, mit ihm zusammenzuarbeiten, hat
Jugoslawien nach Ansicht der Anwältin im gewissen Sinne auch einen
Teil seiner Souveränität verloren.
Die Demokratische Partei Serbiens kündigte unterdessen an, dass der
Gesetzesentwurf, mit dem die Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal
geregelt werden soll, bis Mitte Dezember dem serbischen Parlament
vorgelegt wird. Nach Angaben der Tageszeitung "Glas javnosti" soll
das bedeuten, dass Belgrad ab Beginn nächsten Jahres mit dem Tribunal
voll zusammenarbeiten wird.
Das jugoslawische Parlament äußerte sich bisher nicht über einen
von der Bundesregierung bereits im Juni ausgearbeiteten
Gesetzesentwurf zur Zusammenarbeit mit dem Tribunal. Die DOS-Parteien
konnten im Parlament nicht mit der Unterstützung der
Koalitionspartner aus der montenegrinischen Koalition "Gemeinsam für
Jugoslawien" rechnen. Der jugoslawische Parlamentspräsident Dragoljub
Micunovic erklärte unterdessen gegenüber "Glas javnosti", dass die
montenegrinische Koalition nicht mehr ihren "unnachgiebigen"
Standpunkt vertrete, weshalb es gelten würde, die Gespräche über die
Gesetzeserlassung auch auf föderaler Ebene wieder aufzunehmen. (APA)